Stone Girl
Janey merken wird, was sie hier veranstaltet hat. Als sie zur Tür geht, sieht sie ihr Gesicht im Spiegel. Ihre Augen sind knallrot, es wirkt, als habe sie geweint. Ihre Wangen sind nass. Sie weiß nicht, ob von ihren Tränen oder von dem Wasser, das vielleicht aus der Toilette gespritzt ist. In ihrem Haar hängt ein wenig Kotze. Schnell kämmt Sethie sie mit den Fingern heraus.
Sie hat keine Ahnung, warum sie solche Angst hat, Janey könne merken, was sie getan hat. Schließlich war Janey überhaupt diejenige, die ihr gezeigt hat, wie das geht.
»Nur eine Sekunde«, sagt Sethie erneut, doch so leise, dass Janey sie unmöglich hören kann. Sie öffnet die Tür und Janey kommt herein. Ihre Bewegungen sind fahrig, sie ist betrunken und aufgedreht. Während Janey pinkelt, geht Sethie zum Waschbecken, um sich die Hände zu waschen.
»Ich finde es super hier, Sethie, du nicht? Hier hängen immer irgendwo Leute rum, auch wenn wir nur in Dougs Zimmer sind, und nicht unten, wo die Party steigt.«
Sethie nickt. Sie beugt sich übers Waschbecken, formt mit den Händen eine Schale und versucht, das Wasser zu trinken, bevor es ihr durch die Finger rinnt. Es ist nicht kalt. Schön, das warme Gefühl in ihrer Kehle.
»Du warst so lange weg, die Jungs haben schon Witze gemacht. Aber ich habe ihnen erklärt, dass dünne Mädchen nach so einem Fast-Food-Gelage nun mal ein bisschen Zeit im Bad brauchen.«
Ruckartig fährt Sethies Kopf herum. Sie sieht Janey an, die zusammengekrümmt über der Toilette steht und versucht, mit ihren Oberschenkeln nicht gegen die Klobrille zu kommen. Sethie kann nicht glauben, dass sie den Jungs das gesagt hat. So, als wäre nichts dabei, als wäre es keine große Sache, sondern einfach nur etwas, das dünne Mädchen eben tun.
»Wie geht’s deinem Bauch?«, fragt Janey, während sie sich ihren Slip hochzieht.
»Hm?«
»Dein Bauch? Ich schwöre bei Gott, wenn ich so viel in mich reingestopft habe, frage ich mich manchmal, wieso ich überhaupt esse. Mein Bauch tut dann so weh.«
Sethie sagt nichts. Janey hat also gedacht, sie hätte Bauchschmerzen.
Nun steht Janey neben Sethie am Waschbecken und wäscht sich die Hände. Sie dreht sich zu ihr und betrachtet Sethies Augen eingehend. Sethie sagt nichts. Vielleicht denkt Janey, ihre Bauchschmerzen seien so stark gewesen, dass sie geweint hat.
»Oh«, sagt Janey endlich. »Ich kann nicht glauben, dass du das gemacht hast, ausgerechnet hier.«
»Wieso denn nicht?«
Janey sieht sich um und zieht die Nase kraus. Janey würde sich nie auf diesen Boden knien. Janey würde sich nie über diese Toilette beugen. Ach, zum Teufel mit Janey, denkt Sethie, schließlich muss sie das ja auch nicht.
»Du verstehst das nicht«, erwidert Sethie.
Janey zuckt die Achseln. »Ich schätze, ich kann dir deswegen keinen Vorwurf machen.«
Janey meint bestimmt, dass sie ihr keinen Vorwurf machen kann, weil sie ja gesehen hat, wie viel Sethie gegessen hat.
»Immerhin habe ich dir ja gezeigt, wie man das macht«, fügt Janey hinzu.
Sethie nickt.
»Aber sei bitte einfach vorsichtig. Versuch, es nicht zur Gewohnheit werden zu lassen.«
Sethie nickt.
»Komm her«, sagt Janey, führt Sethie zur Badewanne und drückt sie sanft auf deren Rand. »Wir müssen dein Make-up in Ordnung bringen.« Janey greift in ihre Tasche. Gehorsam blickt Sethie zu Janey auf.
»Es kommt mir vor, als wärst du meine große Schwester«, rutscht es ihr heraus, bevor sie sich bremsen kann.
Doch Janey sagt nur: »Ich weiß«, und fährt mit einem Q-Tip ihren unteren Wimpernkranz entlang.
»Wieso hast du das alles eigentlich in deiner Tasche parat?«
»Weil ich es für morgen brauche«, erwidert Janey. »Ich übernachte hier.«
Sethie nickt. Natürlich übernachtet Janey hier.
»Aber mach dir keine Gedanken. Ben wird dich ins Taxi setzen. Ich wette, er fährt sogar noch mit dir mit, um sicherzugehen, dass du wohlbehalten nach Hause kommst. Er ist wirklich ein netter Typ.«
Sethie schüttelt den Kopf. »Ich gehe mit Shaw.« Mit Shaw, wiederholt sie insgeheim. Es kommt ihr vor, als sei eine Ewigkeit vergangen, seit ihr sein Name das letzte Mal in den Sinn gekommen ist, und erst recht, seit sie ihn ausgesprochen hat. Aber eigentlich kann es nicht mehr als zwei Stunden her sein, dass sie ihn unten gesehen hat.
»Shaw ist schon weg.« Sethie senkt den Blick so abrupt, dass Janey ihr mit dem Q-Tip ins Auge sticht.
»Himmel noch mal, Sethie, pass doch auf.«
»Entschuldigung.« Sethie wendet
Weitere Kostenlose Bücher