Stone Girl
den Blick wieder nach oben. Tränen stehen ihr in den Augen, doch Janey kommentiert das nicht weiter. Sie muss denken, die Tränen kommen von dem Q-Tip, den Sethie ins Auge gekriegt hat, oder weil sie sich übergeben hat, oder von beidem.
»Wie auch immer, ich brauche Ben nicht, um nach Hause zu fahren.«
»Es würde ihm sicher nichts ausmachen«, erwidert Janey, die jetzt lächelt. Sethie glaubt, Janeys Schlüsselbein glänzen zu sehen, während sich die Freundin über sie beugt.
»Tja, und mir macht es nichts aus, alleine heimzufahren«, antwortet Sethie.
»Sethie«, sagt Janey ungehalten. »Im Ernst, Ben möchte dich nach Hause bringen.«
»Und weshalb sollte er das tun wollen?«
Janey zieht die Nase kraus. »Okay, ich weiß, ich hab dich gerade mit dem Kopf in der Toilette erwischt, aber lieber Gott, hältst du wirklich so wenig von dir? Er mag dich.«
Sethie weicht unmittelbar zurück, weg von Janeys Hand, die sich immer noch an ihrem Make-up zu schaffen macht. Fast wäre sie aus dem Gleichgewicht geraten und in die Badewanne geplumpst.
»Nun, wenn er mich mag«, sagt sie bestimmt, »ist das ein weiterer Grund, dass er mich nicht nach Hause bringen sollte. Ich will ihn nicht zu irgendwas anstiften.«
»Wozu solltest du ihn denn anstiften?«, fragt Janey verständnislos. Sie geht zum Spiegel, korrigiert mit ein paar geübten Handgriffen ihr Make-up und richtet sich die Frisur.
»Wir sollten langsam zurück«, sagt Sethie. »Die Jungs werden sich schon wundern, wo wir bleiben.«
Janey zuckt die Achseln. »Okay, Sethie. Aber magst du Ben denn nicht auch ein bisschen?«
»Darüber habe ich noch nicht nachgedacht.«
»Nein? Aber du hast doch mit ihm geflirtet. Auf mich hat es so gewirkt, als würdest du ihn sehr wohl mögen. Doug hat sich deswegen quasi schon selbst auf die Schulter geklopft.«
»Was meinst du damit, Doug hat sich selbst auf die Schulter geklopft? Hat er … versucht ihr etwa, mich zu verkuppeln? Aber wieso denn?«
»Ich dachte, es wäre lustig, wenn wir beide einen Jungen von hier daten würden. Stell dir doch nur mal vor, wie viel Zeit wir zusammen verbringen könnten!«
»An sich kein schlechter Plan«, antwortet Sethie und versucht, unbefangen zu klingen. »Aber ich trenne mich doch nicht von Shaw, nur damit wir uns ein Taxi teilen können, wenn wir mal wieder quer durch die ganze Stadt düsen.«
Janey legt den Kopf schief. »Dich von Shaw trennen?«, wiederholt sie ungläubig.
»Janey, du weißt doch wohl, dass Shaw und ich …«
»Vögeln?«
»Scheiße, Janey, du weißt genau, dass Shaw mein …«
»… Fickfreund ist?«
»Verdammt noch mal, Janey, muss ich dir das wirklich erklären? Shaw ist mein Freund, mein fester Freund, und das weißt du ganz genau.«
Vielleicht liegt es an der Akustik im Bad, aber die Worte fester Freund klingen hohl und blechern in Sethies Ohren, als würden sie nichts bedeuten. Ganz sicher klingen sie nicht so, wie Sethie sich das vorgestellt hat, jetzt, wo sie sie endlich zum ersten Mal ausgesprochen hat.
Janey sieht aus, als habe sie Mitleid mit Sethie, aber Janey weiß ja auch nicht, wie Shaw mit ihr umgeht, wenn sie alleine sind. Janey weiß nicht, dass er eine zusätzliche Decke über seinem Bett ausbreitet, wenn Sethie bei ihm übernachtet, damit sie nicht friert.
»Ben ist ein echt netter Junge«, erwidert Janey endlich. »Ich fand einfach nur, du solltest wissen, wie sich so etwas anfühlt.«
Als wäre ich ein Sozialfall, den du mit deinem »echt netten Jungen« verkuppeln müsstest, denkt Sethie, doch sie spricht es nicht aus. Stattdessen sagt sie: »Das ist er ganz bestimmt, aber ich bin schon mit einem echt netten Jungen zusammen.« Sie öffnet die Tür des Badezimmers.
Sie hört, wie Janey »nein, das bist du nicht« murmelt, und ist sich nicht sicher, ob sie Shaw nicht für einen netten Jungen hält oder ob sie der Meinung ist, Sethie und er seien kein Paar.
Sethie wünschte, sie könnte auf der Stelle gehen, doch ihr Mantel und ihre Tasche liegen noch in Dougs Zimmer. Janey folgt ihr auf dem Fuß. »Ich gehe nach Hause«, sagt Sethie schließlich.
»Okay«, antwortet Janey, als sie Dougs Zimmer betreten. »Ich begleite dich zur nächsten Straßenecke und helfe dir, ein Taxi zu kriegen.«
Sethie beugt sich über Ben, um ihre Tasche und ihren Mantel von Dougs Sofa zu nehmen. Sie schüttelt den Kopf.
»Sethie, ich lasse dich nicht alleine gehen. Es ist nach Mitternacht.«
Erneut schüttelt Sethie den Kopf. »Dann müsstest du
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