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Stoner: Roman (German Edition)

Stoner: Roman (German Edition)

Titel: Stoner: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Williams
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Haus zu finden. Vom späten Frühjahr bis in den Sommer hinein war sie unermüdlich in ihrer Suche, die sie auch schlagartig von ihrer Krankheit zu heilen schien. Sobald William von der Universität nach Hause kam, zog sie los und kehrte oft erst bei Anbruch der Dunkelheit zurück. Manchmal ging sie zu Fuß, manchmal ließ sie sich aber auch von Caroline Finchfahren, mit der sie sich ein wenig angefreundet hatte. Ende Juni fand sie dann das Haus, nach dem sie gesucht hatte, unterschrieb eine Kaufoption und willigte Mitte August in den Erwerb ein.
    Es war ein altes, zweistöckiges Gebäude und nur wenige Häuserblocks von der Universität entfernt; die früheren Besitzer hatten es so verkommen lassen, dass sich die dunkelgrüne Farbe von der Fassade schälte; der Rasen war braun und voller Unkraut. Dafür war der Garten groß und das Haus geräumig; es besaß eine schäbige Eleganz, die Edith meinte auffrischen zu können.
    Von ihrem Vater lieh sie sich weitere fünfhundert Dollar für Möbel, und in den Wochen zwischen Sommerunterricht und Beginn des Herbstsemesters strich William das Haus; Edith wünschte es sich weiß, und er musste drei Mal streichen, ehe das Dunkelgrün nicht mehr durchschimmerte. In der ersten Septemberwoche verkündete Edith dann, dass sie ein Fest feiern wolle – eine Einzugsparty, wie sie es nannte. Dies brachte sie so entschieden vor, als sollte die Feier ein Neubeginn sein.
    Sie luden alle Mitglieder des Fachbereichs ein, die bereits aus den Sommerferien zurück waren, zudem einige von Ediths Bekannten aus der Stadt. Hollis Lomax sorgte für eine allgemeine Überraschung, als er die Einladung annahm, die erste seit seiner Ankunft in Columbia ein Jahr zuvor. Stoner trieb einen Schwarzbrenner auf, dem er mehrere Flaschen Gin abkaufte; Gordon Finch versprach, von seinem Bier mitzubringen, und Ediths Tante Emma steuerte zwei Flaschen alten Sherry für jene bei, die keine harten Sachen tranken. Edith zögerte, überhaupt Alkohol zu servieren, da es offiziell illegal war. Caroline Finch aber meinte, an der Universitätwürde es niemand unschicklich finden, und davon ließ sie sich überzeugen.
    In diesem Jahr wurde es frühzeitig Herbst. Am 10. September, einen Tag vor der Einschreibung der Studenten, fiel leichter Schnee; und in der Nacht überzog eisiger Frost das Land. Ende der Woche, am Tag der Party, war es mit dem kalten Wetter vorbei, nur eine leichte Kühle lag noch in der Luft, doch hatten die Bäume ihre Blätter verloren, der Rasen begann braun zu werden, und die Natur wirkte allgemein schon recht kahl, was einen strengen Winter versprach. Das kühle Wetter draußen, im Garten die entlaubten, schroff sich abzeichnenden Pappeln und Ulmen sowie die Wärme drinnen und die diversen Utensilien der bevorstehenden Party erinnerten William Stoner an einen anderen Tag. Eine Weile kam er nicht darauf, woran er sich zu erinnern versuchte – dann fiel ihm ein, dass er an einem ebensolchen Tag vor sieben Jahren zum Haus von Josiah Claremont gegangen war und Edith zum ersten Mal gesehen hatte. Das schien ihm weit fort und lang vorbei zu sein; nicht einmal annähernd hätte er all die Veränderungen aufzählen können, die diese wenigen Jahre gebracht hatten.
    Vor der Party verlor sich Edith fast eine Woche lang im Wirbel der Vorbereitungen; sie hatte für eine Woche ein schwarzes Hausmädchen eingestellt, das ihr helfen, aber auch bedienen sollte, und sie beide schrubbten die Böden und die Wände, wienerten das Holz, staubten die Möbel ab, polierten sie, stellten sie um, wieder und wieder – sodass Edith am Abend des Festes eigentlich schon völlig erschöpft war. Um die Augen zeigten sich dunkle Ringe, und ihre Stimme drohte ins Hysterische zu kippen. Gegen sechs – die Gäste sollten um sieben Uhr eintreffen – zählte sie nocheinmal die Gläser und stellte fest, dass sie für die erwarteten Gäste nicht ausreichten. Sie brach in Tränen aus, stürzte nach oben und schluchzte, egal, was passiere, sie käme nicht wieder nach unten. Stoner versuchte, sie zu beruhigen, aber sie antwortete ihm nicht einmal. Er sagte, sie brauche sich keine Sorgen zu machen, er werde weitere Gläser besorgen. Dann sagte er dem Mädchen, er komme bald zurück, und eilte aus dem Haus. Fast eine Stunde lang suchte er nach einem noch geöffneten Geschäft, und als er schließlich eines gefunden, die Gläser ausgewählt und zum Haus zurückgetragen hatte, war es bereits nach sieben, und die ersten Gäste waren

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