Stoner: Roman (German Edition)
und sie folgten ihm durch die Korridore. Man wusste, dass er Gruppen vonStudenten gelegentlich in seine Räume einlud, um sie mit Konversation oder den Aufnahmen eines Streichquartetts zu unterhalten.
William Stoner hätte ihn gern näher kennengelernt, nur wusste er nicht, wie er das anstellen sollte. Er redete mit Lomax, wenn es etwas zu sagen gab, und er lud ihn zum Abendessen ein. Als Lomax ihm antwortete, wie er allen anderen geantwortet hatte – ironisch, höflich und distanziert –, und die Einladung ausschlug, wusste Stoner nicht, was er sonst noch tun konnte.
Es dauerte eine Weile, ehe Stoner begriff, was ihn an Lomax faszinierte. In Lomax’ Arroganz, seiner Wortgewandtheit und fröhlichen Verbitterung meinte Stoner ein zwar verzerrtes, doch wiedererkennbares Abbild seines Freundes Dave Masters zu sehen. Er hätte gern so mit Lomax geredet, wie er mit Dave geredet hatte, doch war ihm dies selbst dann nicht möglich, als er sich seinen Wunsch eingestand. Die verlegene Scheu der Jugend hatte ihn noch nicht verlassen, wohl aber der Eifer und die Unmittelbarkeit, die eine Freundschaft vielleicht möglich gemacht hätte. Er wusste, was er sich wünschte, war ausgeschlossen; und das bekümmerte ihn.
*
Wenn er abends die Wohnung geputzt, das Geschirr gespült und Grace in ihr Bettchen in der Wohnzimmerecke gebracht hatte, machte er sich an die Überarbeitung seines Buches. Ende des Jahres war er damit fertig, und obwohl er noch nicht ganz zufrieden war, schickte er es an einen Verlag. Zu seiner Überraschung wurde die Abhandlung angenommenund für eine Publikation im Herbst 1925 vorgesehen. Aufgrund der anstehenden Veröffentlichung wurde er fest angestellt und zum Assistenzprofessor befördert.
Wenige Wochen, nachdem sein Buch angenommen worden war, wurde seine Beförderung bestätigt, was Edith zum Anlass nahm, ihm zu sagen, dass sie mit dem Baby für eine Woche nach St. Louis fahren und ihre Eltern besuchen wolle.
Nach nicht einmal einer Woche kehrte sie zurück, erschöpft und müde, doch auf stille Weise triumphierend. Sie habe ihren Besuch abgekürzt, weil es für ihre Mutter zu anstrengend geworden sei, sich um die Kleine zu kümmern, und sie selbst habe die Reise derart aufgerieben, dass sie sich außerstande sah, sich um Grace zu kümmern. Dennoch habe sie etwas erreicht. Sie zog aus ihrer Handtasche einen Stoß Papiere und reichte William ein schmales Blatt.
Es war ein Scheck über sechstausend Dollar, ausgestellt auf Mr und Mrs William Stoner und unterschrieben von Horace Bostwick, ein kühnes, kaum leserliches Gekritzel. »Was soll das?«, fragte Stoner.
Sie reichte ihm die übrigen Papiere. »Das ist ein Darlehen«, erklärte sie. »Du brauchst dies hier nur noch zu unterschreiben. Ich habe schon.«
»Sechstausend Dollar? Wofür denn?«
»Ein Haus«, sagte Edith. »Ein richtiges Haus, ganz für uns allein.«
William Stoner warf einen Blick in die Papiere, blätterte sie rasch durch und sagte dann: »Das geht nicht, Edith. Tut mir leid, aber – sieh mal, ich verdiene nächstes Jahr bloß sechzehnhundert. Und die Raten für dies hier sind über sechzig Dollar im Monat – das ist fast die Hälfte von meinemEinkommen. Dann noch Steuern und Versicherungen und – ich glaube einfach nicht, dass wir das schaffen. Warum hast du bloß nicht vorher mit mir geredet?«
Mit bekümmertem Gesicht wandte sie sich von ihm ab. »Es sollte eine Überraschung sein. Ich kann doch so wenig tun, aber das hier, das konnte ich tun.«
Er protestierte, sagte, er sei ihr dankbar, aber Edith wollte sich nicht trösten lassen.
»Ich habe nur an dich und das Baby gedacht«, sagte sie. »Du könntest ein Arbeitszimmer haben und Grace einen Hof, in dem sie spielen kann.«
»Ich weiß«, sagte William. »Vielleicht in ein paar Jahren.«
»In ein paar Jahren?«, wiederholte Edith und schwieg dann, ehe sie schließlich matt hervorstieß: »Ich kann so nicht leben. Nicht mehr. In einer Wohnung. Wo ich hingehe, höre ich dich, und auch das Baby, und dann dieser Geruch. Ich-ertrage-ihn-nicht-länger! Tag für Tag dieser Windelgestank, ich … ich halte das nicht mehr aus, und ich weiß nicht, wie ich ihm entkommen soll. Verstehst du das nicht? Verstehst du das denn nicht?«
Letzten Endes nahmen sie das Geld. Stoner entschied, statt im Sommer zu arbeiten und zu schreiben, wie er es sich fest vorgenommen hatte, könnte er auch wieder unterrichten, zumindest in den nächsten Jahren.
Edith machte es sich zur Aufgabe, ein
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