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Stoner: Roman (German Edition)

Stoner: Roman (German Edition)

Titel: Stoner: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Williams
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erscheint mir nötig.« Zu Stoner sagte er: »Sie haben zum ersten Mal mit Charles Walker gesprochen, als er darum bat, an Ihrem Seminar teilnehmen zu dürfen. Korrekt?«
    »Das ist korrekt«, erwiderte Stoner.
    »Sie haben gezögert, ihn aufzunehmen, nicht wahr?«
    »Stimmt«, sagte Stoner. »Das Seminar hatte bereits zwölf Teilnehmer.«
    Lomax warf einen Blick auf die Notizen in seiner rechten Hand. »Und als der Student Ihnen sagte, er müsse unbedingt daran teilnehmen, haben Sie widerstrebend Ihre Einwilligung gegeben, zugleich aber gesagt, seine Teilnahme würde das Fass zum Überlaufen bringen. Ist das richtig?«
    »Nicht ganz«, sagte Stoner. »Wenn ich mich recht erinnere, habe ich gesagt, ein Student mehr im Seminar würde …«
    Lomax wedelte mit der Hand. »Nicht weiter wichtig. Ich versuche nur, einen Zusammenhang deutlich zu machen. Haben Sie während dieser ersten Unterhaltung bezweifelt, dass Walker die Kompetenz besitze, an Ihrem Seminar teilzunehmen?«
    »Holly«, sagte Gordon Finch matt, »wo soll das hinführen? Was hat …?«
    »Bitte«, unterbrach ihn Lomax. »Ich habe doch gesagt, dass ich Anschuldigungen erheben will. Da müssen Sie mir schon die Zeit lassen, sie auch vorbringen zu können. Also, haben Sie seine Kompetenz infrage gestellt?«
    Geduldig erwiderte Stoner: »Ja, ich habe ihm einige Fragen gestellt, um zu prüfen, ob er sich eignet.«
    »Und konnten Sie sich von seiner Eignung überzeugen?«
    »Ich glaube, ich war mir nicht sicher«, sagte Stoner, »erinnere mich aber nicht so genau.«
    Lomax wandte sich an Finch. »Wir halten also fest, dass Professor Stoner erstens gezögert hat, Walker in sein Seminar aufzunehmen, zweitens, dass seine Bedenken so groß waren, dass er Walker drohte, seine Teilnahme am Seminarwürde das Fass zum Überlaufen bringen, drittens zweifelte er an Walkers Kompetenz, und viertens ließ er ihn trotz der Bedenken und seines starken Widerwillens gegen den Studenten am Seminar teilnehmen.«
    Finch schüttelte bekümmert den Kopf. »Das führt doch zu nichts, Holly.«
    »Einen Moment noch«, sagte Lomax. Hastig sah er in seinen Notizen nach, dann musterte er Finch mit durchdringendem Blick. »Ich habe noch mehrere Punkte anzumerken, die ich in einem ›Kreuzverhör‹ auch erhärten könnte«, er hob das Wort ironisch hervor, »aber ich bin kein Anwalt. Allerdings kann ich versichern, dass ich bereit bin, diese Anschuldigungen im Einzelnen vorzubringen, falls sich dies als notwendig erweisen sollte.« Er hielt inne, als müsste er Kraft sammeln. »Ich bin bereit darzulegen, dass Professor Stoner den Studenten Walker an seinem Seminar teilnehmen ließ, obwohl er anfängliche Vorurteile gegen ihn hegte; ich bin bereit darzulegen, dass diese anfänglichen Vorurteile sich erhärteten, als gewisse Widersprüche in Temperament und Gefühl im Verlauf des Seminars zutage traten, dass diese Widersprüche durch Mr Stoner begünstigt und verstärkt wurden, der es nicht nur zuließ, sondern es gelegentlich regelrecht herausforderte, dass sich andere Teilnehmer des Seminars über Mr Walker lustig gemacht und ihn der Lächerlichkeit preisgegeben haben. Ich bin bereit darzulegen, dass diese Vorurteile bei mehr als einer Gelegenheit durch Bemerkungen Professor Stoners vor Studenten zum Ausdruck kamen, dass er Mr Walker vorgeworfen hat, eine Teilnehmerin des Seminars ›angegriffen‹ zu haben, obwohl Mr Walker nur eine abweichende Meinung zum Ausdruck brachte, dass Mr Stoner seine Verärgerung über diesen sogenannten›Angriff‹ bekundete und sich zudem in unverantwortlicher Weise über Mr Walkers ›dümmliches Benehmen‹ ausließ. Ich bin bereit, zudem darzulegen, dass Professor Stoner infolge seines Vorurteils, und ohne dazu provoziert worden zu sein, Mr Walker der Faulheit, Ignoranz und Unehrlichkeit beschuldigte. Und dass Professor Stoner schließlich von allen dreizehn Teilnehmern des Seminars einzig Mr Walker ein solches Misstrauen entgegenbrachte, dass er ihn bat, ihm die Seminararbeit zu übergeben. Und nun frage ich Professor Stoner, ob er die Berechtigung dieser Anschuldigungen einzeln oder in Gänze bestreiten will.«
    Fast mit so etwas wie Bewunderung schüttelte Stoner den Kopf. »Mein Gott«, sagte er. »Wie das aus Ihrem Munde klingt! Sicher, alles, was Sie sagen, entspricht den Tatsachen, nur ist nichts davon wahr. Jedenfalls nicht so, wie Sie es sagen.«
    Lomax nickte, als hätte er diese Antwort erwartet. »Ich bin bereit, jedes Wort dessen, was ich

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