STOP! (German Edition)
der Hand und sitze auf dem Klodeckel. Ich komme mir vor wie jemand aus einer der Daily Soaps, die Julia so gerne schaut. Eva klopft an die Tür. „Saoirse, mach den Test!“ Ich seufze und packe den Test aus. Ich muss fünf Minuten warten. Noch nichts zu sehen. Ich wackele mit den Zehen und überlege, ob ich mir roten oder grünen Nagellack kaufen soll. Mein Blick wendet sich wieder zu dem Test. Auf ihm ist ein deutliches Plus zu sehen. Ich zittere und beginne in der Verpackung rumzuwühlen. Was hat ein Plus zu bedeuten? Ich glaub, ich weiß, was das heißt. Doch ich will es schwarz auf weiß lesen, dass es das Zeichen für keine Schwangerschaft ist. Endlich habe ich den Beipac k zettel. Meine Hände zittern und mit ihm der Zettel. Hier steht es: Plus, Schwangerschaftstest ist positiv. Die Schrift ve r schwimmt vor meinen Augen und ich werfe den Test in die Ecke. Wie konnte das passieren, wie dumm war ich, dass ich gedacht hatte, ein Kondom könnte reichen? Ich heule laut auf. Mein Kopf dröhnt. Das kann doch nicht sein.
Leise klopft es an der Tür. „Saoirse? Ist alles in Ordnung?“ Nichts ist in Ordnung, flüstere ich leise vor mich hin. Das kann doch nicht sein? Ich ziehe die Badezimmertür auf, hinter der Eva steht. Sie sieht mich mit erschrockenem Blick an und will mich in ihre Arme schließen. Ich kann das jetzt nicht. Tränen fließen mir die Wange runter und ich en t ziehe mich ihrer Umarmung. Ich schnappe mir meine Jacke, mein Handy und flüchte aus unserer Wohnung. Wo soll ich denn jetzt hin? Ein jäher Gedanke durchzuckt mich: Frau Dr. Möller, meine Gynäkologin. Sie wird diesen Irrtum bestimmt aufklären können. Ich bin doch nicht schwanger! Ich renne los und versuche den Gedanken daran einfach abzuhängen.
Die Tür der Praxis klappt zu und mit ihr auch meine Wunschvorstellung, nicht schwanger zu sein. Ich halte fassungslos meinen Mutterpass in der Hand und versuche meine Tränen zurückzuhalten. Es ist so irreal. Eben war ich noch das Mädchen, das an nichts und niemanden gebunden war und jetzt trage ich ein Wesen in mir, was für immer mit mir verbunden ist. Ich steh komplett neben mir. Eben haben die Frauen im Wartezimmer mir freudestrahlend gratuliert, als sie meinen Mutterpass gesehen haben. So, als wäre ich die Empfängerin des nächsten Weltwunders. Ich habe ihre Hände geschüttelt und hatte das Gefühl, als ob ich mich aus einer ganz anderen Perspektive beobachten würde. So als ob es sich gar nicht um mein Leben ginge, sondern höchstens um das Leben einer anderen Freundin. Ein Leben, das ich nicht führen wollte. Mit jemandem, der mich morgens müde macht und mir Übelkeit verursacht. Das, was mir den Strich durch mein Leben macht. Ich bin nicht mehr frei. Das Wesen in mir wird mich festhalten. Ich lege meine Hand auf den Bauch. Ob es weiß, was es für mich bedeutet? Mein Handy klingelt. Ich sehe Jans Nummer. An ihn habe ich gar nicht mehr gedacht. Ich putze mir noch einmal die Nase und halte das Handy ans Ohr. „Hallo Schatz. Wir wollten uns doch im Café treffen. Kommst du?“ Ich hatte unser Treffen vollkommen vergessen. Wie soll ich das Jan erklären? Uns verbindet jetzt immerhin etwas. Es ist nicht mehr so, wie es war. „Ich komme ja.“
Kurze Zeit später sitzen wir uns gegenüber. Jan hat mich umarmt und meine Jacke weggebracht. „Was ist los? Du siehst nicht gut aus.“ Ich muss lächeln. Er ist so lieb, ihm kann ich nichts vormachen. Ich hole tief Luft, versuche mich an die frühere selbstbewusste Saoirse zu erinnern, schaue ihm in die Augen und sage: „Ich bin schwanger.“ Jans Blick weitet sich kurz und sein Gesichtsausdruck wird undurchschaubar. Mein Mund wird trocken, ich schiebe meine kalten Hände unter meine Oberschenkel und starre ihn an. Wie wird er reagieren? Nach gefühlten fünf Stunden blickt er auf, schaut mir in die Augen und nimmt meine Hände. „Da gibt es nur eine Lösung.“ Will er das Kind abtreiben, mich verlassen? Aus einem Grund, den ich selber nicht verstehe, habe ich Angst davor. Ich will nicht alleine sein. Zum ersten Mal wäre ich froh, wenn er, selbst wenn es nur für die nächste Zeit wäre, bei mir bleiben würde. Ich will da nicht alleine durch. Trotz der Abneigung gegen dieses Wesen in mir habe ich aber auch Angst und will es aber auch nicht abtreiben. Damit wäre ich ja eine Mörderin und es ist ja auch ein Teil von mir. Jan drückt meine Finger und reißt mich aus meinem Gedankenstrom. Wir blicken uns fest in die Augen. In diesem
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