STOP! (German Edition)
sollte es bereuen.
Das Datum der Abreise rückte immer näher. Mir blieb nur noch wenig Zeit mit Leticia und Gustavo, dennoch war sie es, die einen Schritt auf mich zukam. „Es hat wohl keinen Zweck, du hast deine Entscheidung getroffen, ich werde dir keine Steine in den Weg legen, aber nur unter einer Bedingung, es wird das letzte Mal sein, dass ich dich bei deiner großen Chance unterstütze.“ Bei den Worten große Chance verzog sie fast schon verächtlich das Gesicht.
„Und glaube mir ja, das ist wahrlich deine letzte Chance, deine letzte große Möglichkeit, also tu mir bitte einen Gefallen und nutze sie jetzt endlich. Sonst hat das mit uns einfach keinen Sinn mehr. Weißt du, es wäre kein Problem für mich, dass wir wenig Geld haben, aber du beschäftigst dich gar nicht damit, du rennst nur deinem Traumjob hinterher, und das alles ohne zu realisieren, dass der Zug schon abgefahren ist, Mateus. Glaubst du etwa es macht Spaß, meinen Schwestern erklären zu müssen, warum du seit Jahren nicht befördert worden bist? Sie alle mit ihren tollen Ärzten, Rechtsanwälten und Ingenieuren. Soll ich ihnen jedes Mal erzählen, dass du nur auf die große Chance, die eine Möglichkeit wartest? Bitte, Mateus, werde endlich erwachsen und nutze diese eine letzte Chance, die dir noch bleibt.“ Damit beendete sie ihren Appell, und mir wurde nun auch langsam der Ernst unserer Lage bewusst. Dies hier war jetzt der Zeitpunkt des Erwachens, ich setze nun selbst alles auf eine Karte, auf diesen einen Auftrag, diese eine Chance. Und ich sollte sie nutzen.
Als der Tag der Abreise gekommen war und der Abschied bevorstand, begleiteten mich Leticia und Gustavo zum Flu g hafen. Auf der Fahrt dorthin diskutierten wir zum ersten Mal seit Langem nicht. Wir waren beide darum bemüht, wenigstens jetzt die Harmonie zu wahren, in der letzten g e meinsamen Zeit, die uns blieb, bis wir uns Wochen später wiedersehen würden. Vor dem Flughafen herrschte ein wildes Chaos. Regen prasselte schwer. Ankommende Taxifahrer stritten fluchend um die frei werdenden Plätze vor den Terminals. Wir suchten den schnellsten Weg, um ins Trockene zu kommen, und ich versuchte dafür zu sorgen, dass mein G e päck nicht gänzlich durchnässt wurde, was mir natürlich nicht vollkommen gelang. Na ja, es würde in der nächsten Zeit noch genug mitmachen müssen. Nachdem wir das richtige Gate g e funden hatten, checkte ich ein. TAM Linhas Aéreas JJ8250. São Paolo - Frankfurt . Von dort aus sollte es dann weite r gehen. Nun war es also soweit, ich schaute zu Leticia, dann zu Gustavo und wieder zurück. Es fiel schwerer, als ich geglaubt hatte. Da ich kein Freund großer Abschiede bin, versuchte ich es kurz zu machen.
„Es sind ja nur ein paar Wochen, bald bin ich wieder da“, versuchte ich aufmunternd zu wirken, es gelang mir wohl nicht ganz.
„Es werden lange und schwierige Wochen sein“, en t gegnete Leticia. „Komm so schnell wie möglich wieder und stell nichts an.“ Ein flüchtiges Lächeln zeichnete sich in ihrem Gesicht ab.
„Ich werde es versuchen. Und halte mich auf dem Laufenden. Ich ruf dich an, wenn ich gelandet bin.“ Ein letztes Mal streichelte ich über ihren Bauch und wendete mich Gustavo zu. „Sei lieb zu deiner Mutter und treib sie nicht wieder in den Wahnsinn.“ Es blieb nur noch Zeit für eine flüchtige letzte Umarmung und ich musste zu meinem Gate eilen.
Nach der üblichen langwierigen Prozedur konnte ich dann endlich in meinem Sitz Platz nehmen. Der Flug war nicht au s gebucht, einige vereinzelte Plätze blieben frei. Nachdem wir die Sicherheitsanweisungen gehört hatten und die Startvo r bereitungen beendet waren, konnten wir endlich abheben. Als wir endlich in der Luft waren, entspannte ich erstmals seit Längerem, kurz darauf schlief ich bereits ein. Geweckt durch einige Turbulenzen vor der Küste und die Anweisungen, sich bitte anzuschnallen, konnte ich nicht mehr einschlafen. Mehrere Gedanken schossen mir durch den Kopf. Mir ging noch einmal alles durch den Kopf. War das was ich tat richtig oder egoistisch? War es vermessen, endlich auf den großen Wurf zu hoffen oder doch vielleicht einfach realistisch? All diese Gedanken waren jedoch hinfällig, nun war es endgültig zu spät. Es gab nun kein Zurück mehr. Aber ich freute mich andererseits auch auf die Herausforderung, die auf mich wartete. Denn es war nicht nur eine Chance, sondern auch ei n fach die Gelegenheit, Europa kennenzulernen. Mit all seinen
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