STOP! (German Edition)
durch ganz Europa, Sie könnten noch mal alle b e leuchten, die noch Chancen auf einen Platz in der Seleção haben. Das heißt natürlich Spanien, Italien, England, Deutsc h land und vielleicht auch Russland oder die Türkei.“
Konfrontiert mit dem Angebot war ich schlicht sprachlos, das Erste, was ich rausbrachte, war ein fast schon zu leises: „Das wäre ja wunderbar. Wann soll ich denn fliegen?“ In meinen Gedanken sah ich einerseits schon all die Möglic h keiten, die sich mit diesem Job für mich auftäten, aber vor allem dachte ich an Leticia. Meine Frau. Sie war im sechsten Monat schwanger.
„Na ja, ich denke Mitte März wäre optimal, dann könnten Sie bis Mitte April in etwa unterwegs sein, vielleicht auch etwas länger. Kommt drauf an, wie gut Sie vorankommen.“
Jetzt war es Mitte Februar, also blieb noch ein wenig Zeit für die Reisevorbereitungen und um Leticia das Ganze schonend beizubringen. Sie würde zwar nicht begeistert sein, aber sie weiß, dass ich meinen Job liebe und eine solche G e legenheit nur ganz selten auf einen zukommt.
„Okay, das klingt alles optimal. Das wird großartig werden.“
Ich verließ sein Büro mit einem guten Gefühl und machte mich an meinem Schreibtisch im Großraumbüro wieder an die alltägliche Arbeit. Ich konnte mich nicht richtig konzentrieren und dachte darüber nach, wie es wohl sein würde, von Leticia und Gustavo, unserem vierjährigen Sohn, getrennt zu sein. Vor allem in dieser Zeit war es alles andere als einfach, seine Frau allein zu lassen. Wie ich ihr das Ganze am besten be i bringen sollte, wusste ich auch noch nicht so recht.
Der Artikel, den ich im Verlauf des restlichen Tages ve r fasste, zählte mit Sicherheit nicht zu den besten, die ich in meinem Job verfasst habe. Ständig drifteten meine Gedanken fort und ich verlor immer wieder den Faden. Nachdem ich ihn mehr schlecht als recht beendet hatte, machte ich mich dann auf den Nachhauseweg.
In der wie üblich komplett überfüllten Metro ließ ich mich von den Strömen der vielen Menschen einfach nur mi t reißen und trieb vom Eingang der Station Paraíso weiter zu den Zügen. Meine Gedanken waren nur auf die Reise, die Möglichkeiten und Perspektiven, die sie bot, aber auch die Konsequenzen, gerichtet. Vor allem von meiner Familie für so lange Zeit getrennt zu sein, war ein Gedanke, mit dem ich mich nicht anfreunden konnte.
Seit wir Kinder hatten, waren Leticia und ich nicht mehr solange voneinander getrennt gewesen. Von der Entfernung ganz zu schweigen. Es würde schwierig sein, das stand außer Frage, aber ich würde auch bis zur Geburt wieder bei ihr sein können und die Zeit bis zur Geburt würde sie auch ohne mich überstehen, ganz sicher. Für Gustavo würde die Zeit auch nicht einfach sein, ich machte mir sowieso schon Vorwürfe, da ich so wenig Zeit mit ihm verbringen konnte. Aber das Leben besteht nun einmal aus Entscheidungen. Ich musste jetzt nur noch einen Weg finden, wie ich ihr das Ganze klarmachen konnte. Dass sie es verstehen würde, darüber war ich mir im Klaren, aber sie würde nicht erfreut sein, schon gar nicht, wenn ich sie vor vollendete Tatsachen stellte, ohne es vorher mit ihr abgeklärt zu haben.
Völlig in diese Gedanken versunken registrierte ich gerade noch rechtzeitig, wo ich war, um auszusteigen und das letzte Stück des Heimweges zu Fuß zu gehen.
Es war ein schwüler Abend und der Geruch von Regen hing in der Luft. An solchen Tagen sehnt man sich nach frischer Luft in dieser Stadt, die sowieso wie unter einer Dunstglocke liegt, das ist bei einem solchem Wetter fast nicht mehr auszuhalten. Da man sich an den Luxus der Klim a anlagen gewöhnt, wird man von der Hitze nur noch mehr g e troffen, wenn man sich im Freien bewegt. Am schlimmsten ist das Leben in dieser Metropole aber für Autofahrer, das Verkehrssystem, nur für einen Bruchteil der tatsächlichen B e wohner ausgelegt, bewegt sich ständig am Rande eines Kollapses. Der totale Zusammenbruch scheint immer möglich und die kilometerlangen Staus sind deutliche Belege dafür.
Das waren alles gute Gründe, wegen denen ich auf ein Auto verzichtete, hier in São Paolo ist das einfach nur eine Last. Natürlich wäre ein Wagen für die kleine Familie manchmal ganz praktisch gewesen, aber so oft ich auch schon mit Leticia darüber diskutiert hatte, momentan war es auch einfach finanziell nicht möglich. Mein Gehalt war zwar kein Hungerlohn, aber damit lassen sich auch keine großen Sprünge tätigen, vor
Weitere Kostenlose Bücher