Stop Me - Blutige Botschaft (German Edition)
meisten Menschen kennen den Namen Adele Fornier. Wir haben ihr Bild im Fernsehen gesehen. Haben nach ihr gesucht und sie geliebt, selbst als Fremde. Und jetzt trauern wir um sie. Als sie vor mehr als drei Wochen aus ihrer Straße entführt wurde und spurlos verschwand, hatten wir gehofft, sie würde eines Tages wohlbehalten zu ihrem Vater zurückkehren. Doch stattdessen wurde am 2. März ihre Leiche in einem Toilettenhäuschen im Park gefunden.
Da stand noch mehr, aber das war eine kurze Zusammenfassung dessen, was sie bereits gelesen hatte. Jasmine überflog den Text, bis sie zum letzten Absatz kam.
Bei diesem Verbrechen gibt es vieles, von dem wir nichts wissen. Die Polizei hält sich äußerst bedeckt, um die Chance, den Mörder zu ergreifen, nicht zu gefährden. Auch der Vater hat uns um Diskretion gebeten. Doch laut Aussage des Mannes, der sie gefunden hat, gibt es ein entsetzliches Detail, das er niemals vergessen wird: An der Wand über der Leiche stand ihr Name geschrieben – in ihrem eigenen Blut.
Jasmines Nackenhaare richteten sich auf, als sie auf den letzten Satz starrte, doch ihr Verstand weigerte sich, das Gelesene aufzunehmen. Mit Blut zu schreiben war das, was forensische Psychologen eine “Handschrift” nannten: eine unnötige oder zusätzliche Ausschmückung eines Verbrechens. Sie war ebenso unverwechselbar für den Täter wie die Auswahl seines Opfers oder die Art und Weise, wie er sie umbrachte. War es möglich, dass Kimberlys Kidnapper und dieser Mann, dieser Francis Moreau, dieselbe Handschrift hatten?
Es musste möglich sein. Francis Moreau war durch Forniers Hand gestorben. Aber der Mann, der ihr das Päckchen geschickt hatte, hatte vor vier oder fünf Tagen noch gelebt …
“Ma’am, wir schließen jetzt. Sie müssen morgen wiederkommen.”
Es war wieder der vampirartige Bibliothekar, und dieses Mal klang er ungeduldig.
Jasmine stand auf und sah zu, dass sie fortkam. In ihrer derzeitigen Verfassung hatte sie keine Lust, einen Fremden zu nahe an sich herankommen zu lassen. Sie wusste, dass die Fantasie mit ihr durchging. Er wollte nur, dass sie die Bibliothek verließ, damit er nach Hause konnte. Ihm schien nicht klar zu sein, dass sich bei manchen Kindern in diesem Jahr zu Weihnachten nicht alles um den Weihnachtsmann drehen würde.
Je länger Jasmine darüber nachdachte, desto dringender wollte sie mit Fornier sprechen.
Nachdem sie von der Bücherei zurückgekommen war, verbrachte sie drei Stunden in der Lobby des Hotels, bis es in der Bar unten zu voll wurde. Im Internet suchte sie nach Informationen über ihn, fand jedoch nichts Neues. Sie stieß auf ein paar alte Artikel aus der Times-Picayune, die sie bereits kannte. Es gab noch andere Romain Forniers: einen Jazzmusiker, einen Jet-Skifahrer und einen französischen Maler, der ziemlich bekannt zu sein schien. Aber das war es dann auch schon. Selbst LexisNexis, eine ausführliche Datenbank, für die sie ein Abo hatte, lieferte keine Ergebnisse über Romains derzeitigen Aufenthaltsort.
Sie bezweifelte allerdings, dass er das südliche Louisiana verlassen hatte. Er war hier geboren und aufgewachsen, hatte hier geheiratet und war nach seinem Militärdienst hierher zurückgekehrt.
Sie versuchte es bei der Telefonauskunft von Mamou, aber dort waren keine Forniers registriert. Das hatte allerdings nicht notwendigerweise etwas zu bedeuten. Nachdem er wegen der Prozesse so im Rampenlicht gestanden hatte, konnte es gut sein, dass er eine Geheimnummer hatte. Oder vielleicht lebte er mit jemandem zusammen. Wenn er nicht mehr in der Gegend wohnte, hatte er vielleicht noch Familie, die ihr weiterhelfen konnte.
Als sie die Stadt googelte, fand sie heraus, dass Mamou im Sommer 2004 dreitausendvierhundert Einwohner gehabt hatte. Wahrscheinlich waren es seitdem weniger geworden, es sei denn, Hurrikanflüchtlinge hatten sich Mamou als neuen Wohnort ausgesucht. Die Arbeitslosenrate war allerdings deutlich höher als im Staatsdurchschnitt, sodass es sie überraschen würde, wenn die Opfer von Katrina sich ausgerechnet in diesem Ort niedergelassen hätten. In so einer kleinen Stadt musste es jemanden geben, der Romain Fornier kannte. In Anbetracht der Berichterstattung in den Zeitungen gab es vermutlich niemanden, der nicht von ihm gehört hätte.
Es war fast zehn Uhr, und die Musik und die Stimmen von unten wurden lauter. Jasmine bemühte sich, den Lärm auszublenden, aß ihr Sandwich auf und wechselte zu einem Routenplaner, um herauszufinden,
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