Stop Me - Blutige Botschaft (German Edition)
nachging. So, wie seine Nachricht es nahelegte.
Aber Jasmine saß bereits seit sechs Stunden hier und hatte bislang noch nichts auch nur annähernd Brauchbares entdeckt.
Sie lehnte sich zurück und presste die Handflächen vor die Augen, um ihnen eine dringend benötigte Pause zu gönnen. Ihr Rücken schmerzte, und sie war hungrig. Zum Frühstück hatte sie nur einen Muffin gegessen, den sie sich auf dem Weg vom Hotel hierher gekauft hatte. Aber in fünfzig Minuten würde die Bücherei schließen, und sie wollte die restliche Zeit unbedingt noch ausnutzen. Wenn sie sorgfältig arbeitete und etwas Glück hatte, stieß sie vielleicht auf etwas Wichtiges. Etwas, das auf den ersten Blick völlig belanglos schien, das für sie aber sofort einen Sinn ergeben würde.
Nachdem sie sich einmal gestreckt und die Schultern hatte kreisen lassen, wandte sie sich wieder den Mikrofilmen zu. Sie hatte sich bis zum September 2005 zurückgearbeitet. Das war kurz nach dem Hurrikan gewesen. Die Schlagzeilen ließen das Entsetzen des ganzen Landes wieder auferstehen, mit dem es zusah, wie Menschen auf den Dächern ihrer Häuser gestrandet waren oder um ihr Leben schwammen. Jasmine bezweifelte, dass sie irgendetwas finden würde, das für ihre Suche von Belang war – ein Kind, das auf geheimnisvolle Weise verschwand, war keine Nachricht wert, wenn gleichzeitig die Menschen zu Hunderten starben. Sie begann schneller zu blättern, der nächste Tag, der nächste Monat, das nächste Jahr.
Als sie beim Oktober 2004 angelangte, sprang der Name, den sie erst heute Morgen von Mr. Cabanis gehört hatte, ihr förmlich ins Auge: Romain Fornier.
Zu dem Artikel, in dem über Mr. Forniers Verurteilung berichtet wurde, gehörte ein Bild von ihm. Irgendwann mit Anfang dreißig hatte er helle Haare gehabt, die ihm in die Stirn fielen, als hätte er seinen regelmäßigen Friseurtermin verpasst – was vermutlich auch stimmte. Die hohen Wangenknochen hoben die Konturen des Gesichts hervor, und das Kinn hatte ein leichtes Grübchen. Er sah nicht schlecht aus. Im Gegenteil: Er könnte richtig gut aussehen, wenn die tiefe Furche zwischen den Augenbrauen nicht wäre, der entschlossene Zug um den Mund und der wilde Ausdruck in seinen Augen.
Mehrere Sekunden starrte Jasmine das Bild an. Sie sah den Zorn, der sich in jede Falte in diesem Gesicht gegraben hatte.
In derselben Zeitung entdeckte sie ein paar Leserbriefe. Manche verurteilten, was Romain Fornier getan hatte, andere spendeten Beifall. Ein gewisser Lee James schrieb, Moreau habe bekommen, was er verdient habe, und dass jeder Vater dasselbe getan und damit vollkommen richtig gehandelt hätte. Ein “besorgter Bürger” beklagte, dass die Gesellschaft Selbstjustiz nicht unterstützen dürfe, nicht einmal in so herzzerreißenden Fällen.
Was wäre, wenn die Opfer das Gesetz in die eigenen Hände nähmen und dabei den Falschen umbrächten? Wir dürfen so ein Verhalten nicht tolerieren, ungeachtet der Situation. Wir haben Gesetze, und die müssen geachtet werden .
Jasmine wollte über dieses Thema nicht genauer nachdenken. Sie hatte viel zu viel Verständnis für Romain Fornier, obwohl sie die Gefahren sah, sowohl die juristischen als auch die moralischen, die in dem lagen, was er getan hatte.
Sie blätterte weiter und fand einen Artikel, in dem mehr Informationen über die Schießerei steckten. Im Großen und Ganzen deckte sich die Schilderung mit dem, was Mr. Cabanis ihr erzählt hatte: Als er das Gerichtsgebäude verlassen hatte, hatte Fornier sich die Waffe von Detective Alvin Huff neben sich geschnappt. Fornier hatte geschossen und die Waffe anschließend sofort fallen lassen.
Von da an war es leicht, weitere Informationen über Fornier zu finden, denn über die Verhandlung war ausführlich berichtet worden. Am Tag, als der Prozess platzte, war er der Aufmacher auf der ersten Seite. In diesem Artikel war ein anderes Bild abgedruckt, diesmal in Farbe.
Ein muskulöser, verwegen aussehender Mann im Jeanshemd, mit goldbraunem Teint und strähnigem blondem Haar. Obwohl der dazugehörige Artikel einige Informationen missen ließ, die Jasmine interessierten, wurde Alvin Huff als der Detective erwähnt, der die Ermittlung im Fall von Forniers Tochter geleitet hatte. Auch die Gründe, warum der Prozess schließlich platzte, wurden aufgeführt. Offensichtlich hatte eine Informantin spätabends Detective Huff angerufen, um ihm zu sagen, dass sie Moreau gesehen habe. Moreau zählte bereits zu den
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