Stop saying Goodbye: Roman (German Edition)
irgendwer irgendwas verkaufen oder hatte sich verwählt. Wenn mir der kleine Aufschub, ehe ich mich wieder an meine Geschichtshausaufgaben begeben musste, nicht ganz recht gewesen wäre, wäre ich wahrscheinlich gar nicht rangegangen.
»Hallo?«, sagte ich brüsk und bereits im Ablehnungsmodus, komme, was da wolle.
»Mclean?«
Ich erkannte die Stimme nicht, was das Gefühl des spontanen Unbehagens, weil die Anruferin offenbar
mich
kannte, noch verstärkte. »Äh«, antwortete ich, »ja? Mit wem spreche ich?«
»Lindsay Baker. Vom Stadtrat. Wir sind uns neulich mal begegnet.«
Ich sah sie augenblicklich vor mir: goldblondes Haar, strahlende Augen, noch strahlendere Zähne. Man spürte ihrSelbstbewusstsein selbst durchs Telefon hindurch. »Ach so, ja klar. Hallo.«
»Ich rufe an, weil ich seit einigen Tagen vergeblich versuche, Ihren Vater auf seinem Handy und im
Luna Blu
zu erreichen, und gehofft hatte, ich erwische ihn unter dieser Nummer. Ist er da?«
»Nein, im Restaurant«, erwiderte ich.
»Oh.« Pause. »Seltsam. Ich rief gerade dort an und man sagte mir, er wäre daheim.«
»Wirklich?« Ich blickte auf die Uhr: halb acht, also absolute Dinner-Stoßzeit. »Dann weiß ich auch nicht genau, wo er sein könnte.«
»Na dann«, antwortete sie. »Den Versuch war es wert. Ich gebe nicht auf, aber dürfte ich Sie trotzdem darum bitten, ihm meine Nummer zu geben und etwas auszurichten?«
»Kein Problem.«
Ich nahm einen Filzstift, zog die Kappe ab. »Bitte sagen Sie ihm, dass ich dieser Tage wirklich gern einmal mit ihm essen gehen und unser Gespräch von neulich fortsetzen möchte«, meinte sie. »Ich würde ihn natürlich einladen, er müsste nur durchgeben, wann es ihm passt. Meine Mobilnummer ist 919 – 5 557 744, ich habe mein Handy immer bei mir und bin gut zu erreichen.«
LINDSAY BAKER schrieb ich, darunter die Nummer und MÖCHTE DICH ZUM MITTAGESSEN. »Ich geb’s weiter«, meinte ich.
»Wunderbar. Danke, Mclean.«
Ich legte auf, warf einen Blick auf den Zettel mit meiner Notiz und begriff erst jetzt, dass ich die Nachricht versehentlich so formuliert hatte, wie es vermutlich sonst nur der große böse Wolf tun würde.
Macht nichts
, dachte ich.
Er wird schon kapieren, was ich meine.
Ich ging in mein Zimmer und versuchte, mich in die Industrielle Revolution zu versenken. Ungefähr eine halbe Stunde später hörte ich ein zurückhaltendes Klopfen an der Hintertür; in der Tat war es so leise, dass ich mich fragte, ob ich es mir vielleicht nur eingebildet hatte. Dennoch ging ich hin. Kein Mensch war zu sehen, doch auf dem Geländer der hinteren Veranda stand ein kleiner, quadratischer Behälter, an dem ein Klebezettel hing.
Ich nahm das Teil in die Hand: ein Gewürzdöschen aus Plastik, Thymian, schon angebrochen, aber noch halb voll. NUR FÜR DEN FALL, DU ENTSCHEIDEST DICH ZU BLEIBEN, stand in stark geneigter Krakelschrift auf dem Zettel. WIR HATTEN ZUFÄLLIG DREI STÜCK VON DER SORTE.
Ich blickte kurz zur Küche der Wades hinüber, die jedoch mittlerweile im Dunklen lag. Drehte mich um, ging wieder hinein und stellte den Thymian in den Schrank, gleich neben Salz, Pfeffer, Besteck. Den Zettel nahm ich mit in mein Zimmer und klebte ihn mitten auf die Vorderseite des Weckers neben meinem Bett, damit er das Erste sein würde, das ich morgen früh sah.
Neun
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, drang von draußen weißes, beinahe blendend helles Licht herein. Ich schob den Vorhang ein Stück beiseite, spähte durch den Spalt. Über Nacht hatte es begonnen zu schneien, die Welt war bereits von zehn Zentimetern Neuschnee bedeckt. Und es fiel immer noch mehr.
»Schnee«, verkündete mein Vater sinnigerweise, als ich in die Küche kam. Er stand mit seinem Kaffeebecher am Fenster. »Ist ’ne Weile her, dass ich das letzte Mal Schnee gesehen habe.«
»Ja, nicht mehr seit Montford Falls«, meinte ich.
»Wenn wir Glück haben, verspätet sich Chuckles’ Flieger. Was uns ein wenig Luft verschaffen würde.«
»Wofür?«
Seufzend stellte er seinen Kaffeebecher ab. »Um den Zauberstab zu schwingen. In einer Hauruckaktion die Angestellten des besten Restaurants in der ganzen Stadt abzuwerben. Über neue berufliche Perspektiven nachzudenken. So was in der Art.«
Ich öffnete die Tür zur Vorratskammer, holte das Müsli heraus. »Wenigstens denkst du noch positiv.«
»Wann nicht?«
Ich wollte gerade die Milch aus dem Kühlschrank nehmen,da fiel mir plötzlich der gestrige Anruf ein.
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