Stop saying Goodbye: Roman (German Edition)
»Sag mal, warst du gestern Abend nicht im Restaurant, zumindest mal eine Zeit lang?«
»Bis eins. Dann bin ich hierher, und zwar ohne Umwege«, antwortete er. »Wieso?«
»Diese Stadträtin, Lindsay Baker, machte eine Bemerkung in die Richtung«, antwortete ich. »Als sie anrief und die Nachricht für dich hinterließ, die ich dir aufgeschrieben habe, meinte sie, im Restaurant habe man ihr mitgeteilt, du seist nicht da.«
Seufzend rieb er sich mit der Hand übers Gesicht. »Okay, denk jetzt bitte nicht gleich das Schlechteste von mir.« Er lächelte schief. »Aber es
könnte
sein, dass ich die Kollegen gebeten habe, das zu behaupten.«
»Echt?«
Statt einer Antwort verzog er gequält das Gesicht.
»Warum?«
»Weil sie ständig anruft, um über diese Modell-Geschichte zu diskutieren, und ich dafür momentan weder Zeit noch Kraft habe.«
»Ja, sie meinte, sie würde es schon seit einer ganzen Weile versuchen.«
Dad brummte irgendwas, trank seinen Becher leer, stellte ihn in die Spüle. »Wer ruft schon in der Hauptstoßzeit während des Abendgeschäfts in einem Restaurant an, um ein Date zum Mittagessen zu verabreden? Das ist nicht bloß absurd, sondern rücksichtslos.«
»Sie will ein Date mit dir?!«
»Keine Ahnung, was sie will. Ich weiß nur, ich habe keine Zeit dafür, egal, was es ist.« Er nahm sein Handy, warf einen Blick aufs Display, ehe er es zusammenklappte und in die Tasche steckte. »Ich muss rüber ins
Luna Blu
und noch einpaar Dinge erledigen, bevor Chuckles auftaucht. Meinst du, du schaffst es zur Schule? Oder geben die euch vielleicht sogar schneefrei?«
»Ich schätze nicht«, erwiderte ich. »Das hier ist weder Georgia noch Florida. Aber falls es Probleme gibt, melde ich mich.«
»Tu das!« Er tätschelte liebevoll meine Schulter, während ich endgültig die Milch aus dem Kühlschrank holte. »Schönen Tag.«
»Dir auch. Viel Glück!«
Er nickte, entschwand Richtung Haustür, schnappte sich unterwegs seine Jacke – die weder besonders warm noch besonders wasserdicht war – und zog sie an, während er auf die vordere Veranda hinaustrat. Nicht zum ersten Mal dachte ich an das kommende Jahr, wie es für ihn sein würde, in einem anderen gemieteten Haus in einer anderen Stadt zu wohnen –
ohne
mich. Wer würde sich für ihn um die Details des Alltagsablaufs kümmern, damit er wiederum das für wen anders übernehmen konnte? Mir war klar, dass ich nicht verantwortlich dafür war, meinen Vater zu betütteln, dass er mich weder darum gebeten hatte noch es von mir erwartete. Aber er war bereits einmal verlassen worden. Und ich fand die Vorstellung, dass ich die zweite Person sein würde, die ihm das antat, schier unerträglich.
In diesem Moment klingelte mein Handy.
Wenn man vom Teufel spricht
, dachte ich, als ich HAMILTON, PETER auf dem Display las. Ich wollte schon auf die ABWEISE N-Taste drücken, da fiel mein Blick auf die Uhr. Ich hatte noch eine Viertelstunde Zeit, bis ich das Haus verlassen und zur Bushaltestelle gehen musste. Wenn ich das jetzt hinter mich brachte, hätte ich vielleicht einen ganzen, himmlischen Tag langmeine Ruhe. Oder zumindest einige Stunden. Ich schluckte meine Genervtheit hinunter und nahm das Gespräch an.
»Hallo, mein Schatz!« Wie üblich sprach meine Mutter viel zu laut, ihre Stimme drang bis tief in mein Ohr. »Guten Morgen! Schneit es bei euch?«
»Ein bisschen.« Ich sah dem dichten Schneetreiben vor dem Fenster zu. »Und bei euch?«
»Hier liegen bereits fast acht Zentimeter und es schneit immer noch. Die Zwillinge und ich waren schon draußen. Sie sehen in ihren Schneeanzügen so süß aus! Ich habe dir ein paar Fotos gemailt.«
»Super«, meinte ich. Puh, dreißig Sekunden waren geschafft – noch ungefähr … nun ja, sagen wir: zweihundertsiebzig weitere lagen vor mir, bis ich auflegen konnte, ohne allzu unhöflich zu wirken.
»Ich wollte bloß noch einmal sagen, wie sehr ich mich gefreut habe, dich letztes Wochenende wiederzusehen.« Sie räusperte sich vor lauter Rührung. »Es war so schön, wieder Zeit miteinander zu verbringen. Wobei mir dadurch allerdings noch bewusster geworden ist, wie wenig ich an deinem Leben in den letzten Jahren Anteil nehmen konnte. Ich kenne deine Freunde nicht, weiß nicht, was du in deiner Freizeit treibst …«
Ich schloss die Augen, zwang mich zur Ruhe. »Du hast nicht viel verpasst.«
»Doch, ich denke schon.« Immer mehr Tränen schlichen sich in ihre Stimme. »Jedenfalls habe ich
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