Stop saying Goodbye: Roman (German Edition)
von der Hauptstraße durchs Zentrum wischte.
»Nur wenn du mir verrätst, was man am besten bestellt, wenn ein Restaurant gerade erst geöffnet hat«, erwiderte er. Sah mich an. »Weil ich weiß, dass du so etwas weißt.«
Ich machte ein extra undurchdringliches Pokerface. »Kann sein.«
»Cool. Auf geht’s.« Er rappelte sich hoch, ging zur Treppe, ich folgte ihm. »Ich tippe auf Fisch.«
»Nein.«
»Ravioli?«
»Schon besser.«
Grinsend wandte er sich zu mir um. Ich streckte dieHand aus, um die Deckenlampen auszuschalten. Im Dämmerlicht und aus leichtem Abstand betrachtet, sah das Modell richtig unwirklich aus: Weite, leere Flächen wechselten sich mit solchen ab, die schon vollgebaut waren. Erinnerte mich irgendwie an Städte und besiedelte Gebiete, wenn man nachts darüberfliegt. Viel lässt sich nicht erkennen. Aber die Orte, wo Menschen nah zueinandergezogen und auch geblieben sind, bilden Cluster aus winzigen Lichtern, welche die Dunkelheit durchdringen.
***
Als ich am nächsten Tag aus der Schule heimkam, war Dad zu Hause. Was seltsam war, denn das Restaurant würde in etwa einer Stunde öffnen; spätestens um die Zeit wurde er eigentlich dringend dort gebraucht, um die Vorbereitungen in der Küche zu beaufsichtigen. Aber dann fiel mir auf, dass er nicht nur nicht weg war, sondern am Küchentisch saß und offenkundig auf mich gewartet hatte. Er telefonierte nicht, rannte weder hektisch rum noch war er gerade auf dem Sprung. Nein, er saß still da. Und wartete.
»Hallo«, sagte er, als ich eintrat; mit einem Klicken rastete das Schloss der Verandatür hinter mir ein. »Hast du einen Moment Zeit?«
Ich konnte plötzlich nur noch an eine einzige, ganz bestimmte Buchstabenkombination denken: DSGA! Entweder stand mir gewaltiger Ärger bevor oder jemand war gestorben. Vielleicht auch beides.
»Klar.« Mein Mund wurde ganz trocken. Ich zog den Stuhl, der seinem gegenüberstand, näher an mich heran, setzte mich. »Was gibt’s?«
Er räusperte sich und strich mit der flachen Hand über die Tischplatte, als suchte er nach überflüssigen Krümeln.Es dauerte eine quälende Ewigkeit, bis er endlich zu reden begann: »Also … erklärst du mir bitte, was zurzeit zwischen dir und deiner Mutter los ist?«
Als ich das hörte, wurde ich fast simultan von zwei ziemlich widersprüchlichen Emotionen überschwemmt. Erleichterung, dass alle noch atmeten und lebten, unmittelbar gefolgt von einer aufschäumenden Wut, die sich so vertraut anfühlte, als würde ich einer alten Freundin wiederbegegnen. »Warum? Was ist passiert?«
»Habt ihr euch kürzlich gestritten?«, fragte er. »Ist sonst irgendetwas vorgefallen?«
»Wir streiten uns ständig und es gibt auch ständig irgendwelche ›Vorfälle‹«, erwiderte ich gedehnt. »Das ist wahrhaftig nicht Neues.«
»Ich dachte, ihr hättet euch neulich gesehen, bei dem Spiel?«
»Haben wir auch.« Allmählich kletterte meine Stimme leicht zittrig eine halbe Oktave höher. »Was ist los? Hat sie dich angerufen und sich beschwert, oder was?«
»Nein.« Erneutes Räuspern. »Aber ich habe heute von ihrem Anwalt gehört.«
Nein, bitte nicht!
, dachte ich. »Von ihrem Anwalt?«, wiederholte ich, obwohl ich bereits ahnte, worauf das Ganze hinauslief. »Warum?«
Wieder strich er mit der Handfläche über die Tischplatte. »Anscheinend möchte sie die Sorgerechtsregelung revidieren lassen.«
»Schon wieder«, setzte ich hinzu. Dad schwieg. »Warum? Weil ich ihr endlich die Wahrheit gesagt habe?«
»Aha.« Er lehnte sich zurück, sah mir direkt in die Augen. »Darum ging es also bei dem sogenannten ›Vorfall‹ …«
»Ich habe ihr vorgehalten, sie sei schuld an der Scheidungund deshalb auch daran, dass ich sauer auf sie bin. Was nicht gerade sensationelle Neuigkeiten sind.«
Dad musterte mich forschend. Nach einer längeren Pause meinte er: »Deine Mutter spielt mit dem Gedanken, einen Gerichtstermin zu beantragen und offiziell Beschwerde einzulegen, dass wir unseren Teil der Besuchsregelung nicht einhalten.«
»Was soll das heißen?«
»Nun, du hast sie in den letzten sechs Monaten nur zweimal gesehen«, antwortete er, »und im vergangenen Jahr keinen ganzen Sommer mit ihr verbracht.«
»Ich war drei Wochen bei ihr. Und wir haben uns gerade erst getroffen!« Gequält schüttelte ich den Kopf, schaute aus dem Fenster. »Das ist doch gaga. Nur weil ich sie dieses Wochenende nicht besuchen oder an den blöden Strand in ihre blöde Villa fahren will,
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