Stop saying Goodbye: Roman (German Edition)
freue ich mich total darauf, dass du das Haus endlich mit eigenen Augen siehst. Ich habe so viel Arbeit in die Renovierung gesteckt. Allein die Farben auszusuchen, war der reinste Albtraum.«
»Kann ich mir vorstellen«, erwiderte ich. »Ich habe eine Freundin, die das auch gerade macht. Sie hat mich nach meiner Meinung gefragt, aber für mich sahen alle Blaus gleich aus.«
Sie stimmte mir sofort zu: »Absolut! Und dann auch wieder nicht. Man muss sich die Farben im Morgenlicht anschauen und nachmittags und bei künstlicher Beleuchtung … so ein Aufwand! Dafür bin ich mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Glaube ich jedenfalls.«
Ja, es fühlte sich total schräg an, so mit meiner Mutter zu sprechen, so … nett geradezu. Freundlich, normal. Und bei dem Thema war es auf einmal sowieso – fast – wieder wie früher. Als würden wir uns auf sicherem Gelände bewegen, wenn wir zusammen am Meer waren, sogar schon beim Reden darüber und egal, was es sonst für Konflikte gab, vor allem, wenn es darum ging, wo ich wohnte, ob bei ihr oder Dad. Wir telefonierten also oder schrieben uns E-Mails : Was wir an Regentagen unternehmen würden, was ich gern zum Frühstück aß, ob ich lieber ein Zimmer mit Blick aufs Meer oder auf den Sund wollte. Das Ganze war plötzlich einfach, viel einfacher als vorher. Irgendwie vielleicht sogar okay.
Während ich mich also ein Stück weit mit meiner Mutter versöhnte, war mein Vater schwer mit Lindsay Baker beschäftigt. Soweit ich es mitkriegte, hatten sie sich ein paarmal zu einem späten Lunch und sehr selten auch zumAbendessen – sie suchte jedes Mal ein anderes Lokal aus, war quasi seine Führerin durch die Gastronomie-Szene von Lakeview – getroffen. Abends konnte mein Vater noch schlechter weg aus dem
Luna Blu
als mittags, deshalb kamen Dinner-Dates wesentlich seltener vor. So widersinnig, wie es klingt: Ob mein Vater insgeheim bereits die nächste Flucht plante, merkte ich normalerweise daran, wie sehr er sich in der jeweiligen neuen Beziehung engagierte. Selbst häufige Telefonate oder Verabredungen zum Essen bedeuteten, ich konnte weitermachen wie bisher, es standen keine umwälzenden Veränderungen bevor. Doch wenn ich auf einmal Haargummis im Bad fand, die nicht mir gehörten, oder Joghurt und Cola light im Kühlschrank, die ich nicht hineingestellt hatte, wusste ich: Es wird Zeit, Grundlebensmittel wie Zucker oder Öl von der Einkaufsliste zu streichen und unsere Vorräte stattdessen zu verbrauchen. Doch bisher war nichts dergleichen geschehen, zumindest hatte ich es nicht mitgekriegt. Wobei ich, ehrlich gesagt, sowieso ein bisschen abgelenkt war.
Und zwar seit dem Abend, an dem wir bei Rileys Eltern gegessen und das Basketballmatch angeschaut hatten. Ellis hatte uns anschließend heimgefahren. Deb war wieder vorne eingestiegen, mit einem ganzen Teller voller Abendessensreste bewaffnet – mit Gruß von Mrs Benson für Debs Mutter –, weil Deb erzählt hatte, ihre Mutter würde den ganzen Abend Überstunden machen, um Geld zu verdienen, und hätte keine Zeit zum Essen. Dave und ich saßen allein hinten. Ellis setzte also von der Auffahrt auf die Schotterstraße zurück und fuhr los. Niemand sagte etwas, wir waren von dem vielen Essen und Schwatzen und nicht zuletzt von dem Spiel – welches das
U
-Team Sekunden vor dem Schlusspfiff durch einen Sprungwurf gewonnen hatte –ganz schön müde. Als Ellis den Blinker setzte, um auf die Hauptstraße einzubiegen, war dessen Ticken das einzige Geräusch im Wagen, außer dem Motor natürlich.
Solche schweigsamen nächtlichen Autofahrten zurück nach Hause haben definitiv was. Ich musste unwillkürlich an die Rückfahrten von North Reddemane mit meiner Mutter denken, Sonnenbrand, Sand in den Schuhen und halb feuchte Klamotten inklusive, die ich erst in letzter Sekunde über meinem nassen Badeanzug angezogen hatte, weil ich so lang wie möglich im Wasser bleiben und schwimmen wollte. Wenn wir keine Lust mehr auf Radio oder Reden hatten, war es völlig okay, dass jede von uns mit ihren Gedanken und der Straße vor uns auch mal allein blieb. Wenn man sich in der Gesellschaft eines anderen Menschen wohlfühlt, muss man nicht immer quatschen.
Wir fuhren mittlerweile auf der Hauptstraße Richtung Stadt. Ich lehnte mich zurück, winkelte ein Bein an, legte es unter das andere. Dave, der neben mir saß, schaute aus dem Fenster. Ich betrachtete ihn von der Seite; ab und zu wurde sein Gesicht von den
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