Stop saying Goodbye: Roman (German Edition)
bewerben möchte.«
»Mir ist natürlich bewusst, dass du bisher keine konkreten Entscheidungen getroffen hast. Aber
Defriese
steht doch sicher auf deiner Liste.« Sie verlagerte das Gewicht des Babys, das sie trug – welches auch immer es war –, und das Gequengel wurde leiser. »Du könntest sogar bei uns wohnen, bräuchtest dich nicht mit den Studentenwohnheimen abzugeben. Das Leben da ist nicht immer ein Spaß, sage ich dir.«
Ich stand in unserer Küche in Petree, starrte den Kühlschrank mit seiner Edelstahlfront an. Plötzlich war mir innerlich ganz kalt. »Mom«, meinte ich gedehnt, »ich glaube, das würde ich nicht wollen.«
»Woher willst du das wissen?« Ihre Stimme kletterte sofort um ein paar Töne höher. »Du fängst gerade erst mit deinem vorletzten Schuljahr an.«
»Und warum schickst du mir dann jetzt schon diese Bücher?«
»Weil ich dir helfen möchte.« Sie war schon wieder den Tränen nah. »Und nicht verstehe, warum du keine Lust hättest, zurückzukommen und hier mit mir und Peter und deinen kleinen Geschwistern zusammenzuleben.«
»Ich richte mich bei meiner Entscheidung, auf welches College ich gehe, nicht nach dem, was du möchtest, Mom«, sagte ich langsam.
»Natürlich nicht!«, erwiderte sie. Inzwischen weinte sie hörbar. »Es interessiert dich ja sowieso herzlich wenig, was ich möchte.«
Schlussendlich stopfte ich die Bücher unters Bett und versuchte, die ganze Sache zu vergessen. Als es dann allerdings tatsächlich an der Zeit war, übers Studium nachzudenken, holte ich sie wieder hervor und las mir die Tipps durch, von denen einige sich als ziemlich brauchbar erwiesen. Am Ende bewarb ich mich sogar
auch
bei der
Defriese University
, allerdings nicht im Rahmen des vorzeitigen Zulassungsverfahrens und auch bloß als eine Art Friedensangebot. Ich hatte mitnichten die Absicht, dort zu studieren, es sei denn, ich wurde überall sonst abgelehnt. Es wäre nur der aller-, allerletzte Notnagel gewesen.
»Mom«, sagte ich nun, während ich suchend die lange Reihe der Spinde vor mir entlangblickte und endlich den mit der Nummer 1899 entdeckte. »Ich muss mich echt für die erste Stunde fertig machen.«
»Wir reden erst seit zwei Minuten.«
Ich schwieg. Was sollte man darauf auch antworten?
»Was ich eigentlich mit dir besprechen wollte« – alter Trick: rascher Themenwechsel – »ich hatte bisher noch keine Gelegenheit, mit dir über das Haus am Meer zu reden. Sonst hätte ich gar nicht angerufen und dich gestört. Aber ich habe aufregende Neuigkeiten!«
»Was für Neuigkeiten?«
Sie seufzte. Wieder einmal brachte ich meinen Text nicht mit der angemessenen Begeisterung hervor. Doch auch das beschloss sie, geflissentlich zu ignorieren. »Die Umbaumaßnahmen wurden vom Bauamt abgenommen. Unser Innenarchitekt konnte endlich die Anstreicher bestellen, sie fangenvermutlich gerade jetzt mit der Arbeit an. Du weißt, was das bedeutet?«
Ich wartete. Schwieg.
»Endlich kannst du mit uns hinfahren!« Das war eindeutig die Pointe, der einzigartige Clou des Ganzen. »Ich weiß doch, wie gern du am Meer bist. Außerdem haben wir zwei so viele wunderbare gemeinsame Erinnerungen daran. Ich kann es kaum glauben, dass Peter und ich dieses Haus seit zwei Jahren besitzen und du bisher kein einziges Mal mit da warst! Wir wollen nächstes Wochenende hinfahren, einfach, um selbst nachzuschauen, wie alles geworden ist, und werden in Zukunft versuchen, so oft wie möglich so viel Zeit wie möglich dort zu verbringen. Ich habe mir deinen Ferienplan mal vorgenommen, wobei mir auffiel –«
»Mom!« Ich unterbrach sie mitten im Satz. »Ich muss jetzt wirklich rein, der Unterricht fängt an.«
Stille. Dann: »Na gut. Aber
versprichst
du mir, dass du später zurückrufst? Ich möchte das wirklich gern mit dir besprechen.«
Nein
, dachte ich. Und sagte: »Ich versuch’s. Ich lege jetzt auf.«
»Ich liebe dich!«, rief sie hastig ins Telefon, um diese drei Worte loszuwerden, solange sie noch die Gelegenheit dazu hatte. »Es wird großartig! Genau wie –«
Klick
.
Ich streckte die Hand aus und riss viel zu heftig an meiner Spindtür. Deshalb flog sie unvermittelt und hart auf, dass ich beinahe mitten im Gesicht getroffen worden wäre. Hastig hielt ich die Tür fest und bemerkte, dass auf der Innenseite ein Spiegel mit himbeerfarbenem Rahmen hing, den vermutlich meine Vorbesitzerin angebracht hatte; er war mit niedlichen Federn in Pink dekoriert und auf demunteren Teil stand
Weitere Kostenlose Bücher