Stop saying Goodbye: Roman (German Edition)
schon unterwegs und würden ausflippen und mir ist vollkommen klar, so was kannst du jetzt nicht auch noch brauchen –«
Er fiel mir ins Wort; wobei ich allerdings selbst noch keinen Plan gehabt hatte, was ich eigentlich als Nächstes hätte sagen wollen. Nur eines war mir klar: Es wäre vermutlich bloß ein weiterer, total lahmer Rechtfertigungsversuch geworden. »Du
solltest
Lust haben, deine Mutter zu sehen.«
»Ich weiß, aber –«
Wieder unterbrach er mich: »Und du brauchst dich deswegen nicht bei mir zu entschuldigen. Niemals. Okay?«
»Trotzdem fühle ich mich miserabel«, antwortete ich.
»Warum?«
Er beobachtete mich, wollte es wirklich ernsthaft wissen.
Hilfe, nein
!, dachte ich und schluckte beklommen. Genau diese Art von Unterhaltung wollte ich eigentlich überhaupt nicht führen. »Wegen dem, was sie getan hat«, antwortete ich schließlich zögernd, ja zittrig. »Dir angetan. Es ist der Horror. Und mir kommt es so vor, als wäre ich illoyal, wenn ich so tue, als wäre es nicht der Horror gewesen.«
Außerdem war es der Horror, darüber zu reden. Schlimmer als das. Ich kam mir vor, als müsste ich Heftzwecken essen. Als würde mir bei jedem Wort ein weiterer Löffel gewaltsam in den Mund gestopft. Kein Wunder, dass ich es bisher so sorgfältig vermieden hatte, das Thema überhaupt anzuschneiden.
Aus der Küche ertönte lautes Scheppern, gefolgt von einer Serie Flüche. Doch mein Vater ließ sich ausnahmsweise durch nichts ablenken, sah mich weiterhin unverwandt an. »Was sich zwischen deiner Mutter und mir abgespielt hat«, sagte er schließlich langsam, nahm sich bewusst Zeit für jedes einzelne Wort, »war nicht mehr und nicht weniger als das: etwas zwischen uns. Ausschließlich unsere Sache. Unsere jeweiligen Beziehungen zu dir stehen auf einem anderen Blatt. Weder kränkt noch verletzt es mich, wenn du Zeit mit deiner Mutter verbringst. Und umgekehrt. Das weißt du, oder?«
Ich nickte, senkte den Blick. Natürlich wusste ich das: Schließlich wurde auch meine Mutter nicht müde, es zu betonen. Trotzdem sah die Wirklichkeit etwas anders aus. Man konnte eine Familie nicht einfach in der Mitte auseinanderreißen, mit Mama auf der einen, Papa auf der anderen Seite und dem Kind gleichmäßig zwischen ihnen verteilt. Es war wie bei einem Blatt Papier, das man in der Mitte durchreißt: Egal, wie sehr man sich auch bemüht, die beide Kanten passen am Ende nie mehr richtig zusammen. Bei dem Trennungsprozess geht etwas verloren, was man nicht sehen kann. Winzigste Partikel. Dennoch führte die Tatsache, dass sie weg waren und weg blieben, dazu, dass
nichts
mehr heil und rund war.
»Ich finde die Situation, so wie sie ist, trotzdem ätzend«, sagte ich leise. Blickte wieder auf, ihm direkt in die Augen. »Ich möchte dir nicht wehtun.«
»Tust du nicht«, antwortete er. »
Kannst
du gar nicht, hörst du?«
Ich nickte. Er streckte die Hand aus, drückte meine. Diese schlichte Geste der Verbundenheit, die für mich in dem Moment ein wunderbares Symbol unserer Zusammengehörigkeit bildete, tröstete mich mehr als alles, was er bisher gesagt hatte.
»Gus?« Ich drehte mich um. Jason stand im Durchgang zur Küche. »Der Fischtyp wegen der Expresslieferung ist am Telefon.«
»Ich rufe zurück«, meinte Dad.
»Er sagt, er macht gleich Feierabend«, antwortete Jason. »Soll ich vielleicht –«
»Hau schon ab!« Ich drückte kurz Dads Hand. »Geh ans Telefon, ist okay. Alles in Ordnung. Auch mit uns, meine ich.«
Er neigte den Kopf leicht schräg, musterte mich forschend. »Bist du sicher?«
»Ja«, erwiderte ich. »Muss sowieso heim und mich fertig machen, wegen des … du weißt schon.«
»Des Spiels.« Er sprach die Worte für mich aus.
»Ja.«
Er rutschte auf seinem Stuhl zurück, stand auf. »Es lohnt sich bestimmt hinzugehen«, meinte er. »Vor allem, weil ich das Gefühl habe, du bekommst einen richtig guten Sitzplatz.«
»Das hoffe ich schwer«, erwiderte ich. »Wenn ich nicht mit auf der Bank sitzen darf, hau ich sofort ab.«
»Klar«, antwortete er. »Wie willst du sonst Tacheles mit dem Schiri reden?«
»Vergiss den Schiri«, konterte ich. »Ich habe fest vor, Peter endlich mal klarzumachen, was ich von seiner Angriffstaktik halte.«
Er lächelte mich schief an. Komisches Gefühl, nach so langer Abstinenz wieder über Basketball zu quatschen. Als würden wir eine Sprache sprechen, die wir zwar beide beherrschten, bei der wir inzwischen aber etwas mit der Grammatik zu
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