Stoppt die Hochzeit!
»Martin liebt mich nicht wirklich, sonst hätte er nicht so schnell aufgegeben. Ich glaube, er betrachtet meine Reise nach Michigan als sein Ticket in die Freiheit.«
Annabelle war dergleichen Meinung, sagte aber nichts. Sie wünschte sich allerdings, sie könnte ihrer Mutter einen Teil der Schmerzen abnehmen, die so deutlich spürbar waren.
Aber plötzlich änderte sich die Miene ihrer Mutter, und ihr Gesicht erstrahlte in einem Lächeln. »Aber ich hab solches Glück, dass ich dich habe«, sagte sie. Sie legte die Hände um Annabelles Gesicht. »Wir nutzen einfach die Zeit, die wir zusammen verbringen, um uns wieder näherzukommen. Das würde deinem Vater gefallen.«
Anna, versprich mir, dass du dich um deine Mutter kümmerst, wenn mir etwas zustößt.
»Ja«, stimmte Annabelle ihr zu, erleichtert, dass ihre Mutter auf dem Weg der Besserung zu sein schien.
»Jetzt werde ich erstmal zu Ende packen«, sagte Belle und wischte sich die Wangen ab. »Wenn du vom Einkaufen zurückkommst, gehen wir die Blumenzwiebeln durch, die ich noch in der Garage habe, und suchen welche für den Garten deines neuen Hauses aus.« Sie lächelte. »Clay fragt sich bestimmt schon, wo du bleibst.« Sie strich Annabelle eine Strähne hinters Ohr. »Zumindest scheint ihr beide Freunde geworden zu sein.«
Annabelles Herz schlug einen wilden Trommelwirbel. »Wir sind wohl kaum Freunde, Mom.«
Belle tätschelte ihr die Hand. »Dann eben freundlich miteinander. Ich bin froh, dass Martin und meine Meinungsverschiedenheiten keinen Keil zwischen euch getrieben haben.«
»Mom …«
Belle drehte sich um und hängte das Hemd ihres Vaters zurück zu der Winterkleidung im Schrank. Sie schloss die Tür und zeigte Annabelle ein gelasseneres Gesicht. »Wir haben auch keine Milch mehr, Liebes, aber eine kleine Packung reicht, weil wir ja bald wegfahren.«
Und genauso schnell war Belle, die Frau, verschwunden und Belle, die Mutter, stand wieder vor ihr.
»Natürlich«, sagte Annabelle, als sie sich aus dem Zimmer zurückzog. »Es dauert nicht lange.«
Sie ging durch das Haus, während die Gefühle, die in ihr tobten, sie ganz durcheinander brachten – Bedauern, Erleichterung … und etwas Undefinierbares.
Sie zog die Vorhänge vor dem Fenster im Wohnzimmer auf und war überrascht, als sie einen großen schwarzen Pick-up am Ende der Einfahrt sah, an dessen Steuer Clay saß. Sie lächelte. Der Mann steckte voller Überraschungen. Und in dem Augenblick erkannte sie voller Reue das andere Gefühl, das an ihr zerrte.
Vorfreude.
Clay machte es nichts aus zu warten, denn ihm graute davor, zugeben zu müssen, dass er sich bei ihr geirrt hatte. Henry hatte seinen Bericht über Annabelle Coakley noch nicht abgegeben, aber er glaubte allmählich, dass er die Frau falsch eingeschätzt hatte. Vielleicht wollte sie wirklich nur das Beste für ihre Mutter. Sie schien es ziemlich eilig zu haben, Belle nach Michigan zu bringen, weit weg von seinem Vater.
Aber sein Blick verdüsterte sich, als er an das Telefonat dachte, dass er unterbrochen hatte. War dieser Mike der wahre Grund, warum Annabelle so schnell nach Detroit zurück wollte?
Er massierte sich den Nasenrücken, als ihm eine weitere Ursache für den Stein einfiel, der sich auf sein Herz legte. Er entwickelte allmählich diese seltsamen Gefühle …
»Entschuldige, dass es so lange gedauert hat.«
Er fuhr beim Klang ihrer Stimme herum, die durch das heruntergefahrene Fenster drang. Sie öffnete die Tür, und er beugte sich hinüber, um ihr beim Einsteigen zu helfen, wobei er ihre schmale Hand nur sanft griff, um ihr nicht wehzutun.
»Danke«, sagte sie atemlos, als sie sich in den Sitz fallen ließ und die Tür fest zuzog. Er bemerkte erst, dass er noch immer ihre Hand hielt, als sie auf ihre verschränkten Finger starrte. Verlegen ließ er sie los. Sie stellte ihre Handtasche auf den Sitz zwischen ihnen und sah sich in der viertürigen Fahrerkabine um. »Was für ein Pick-up.«
Sie hatte das dunkle Haar zurückgebunden und bot ihm einen ungehinderten Blick auf ihr Profil – die wunderbar geformte Nase und das anmutige Kinn, geschwungene Brauen, hohe Wangenknochen. Sie trug eine kurze Jeans und ein ärmelloses, grünes T-Shirt mit einer gelben Sonnenblume auf der Brust. Make-up schien sie nicht aufgelegt zu haben, denn ihre Sommersprossen waren deutlich zu sehen. Die Frau strahlte förmlich vor Gesundheit, und ihn überkam das Bedürfnis, die Arme um sie zu legen, nicht im erotischen Sinne,
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