Storm - Aus dem Leben eines Auftragskillers (German Edition)
Tür führte vom Nebel raus in die sternenklare Nacht. Scheinwerfer erstrahlten die rechte Seite des Hauses. Ich erkannte das Heck eines dunkelblauen Toyota Avensis mit Nummernschild ‚B – XT 1487‘.
Von der Rückbank spähte eine leichenblasse Julie Cramme in meine Richtung. Ich verweilte an der Schwelle zur Freiheit und genoss noch einen Augenblick lang ihre jugendliche Schönheit. Im nächsten Moment fuhr Familie Cramme durch das offene Gartentor aus meinem Sichtfeld.
Ich schüttelte meine kleine Niederlage ab und rannte vom Tatort weg. Mehrere Augenpaare verfolgten den Tumult hinter zugezogenen Gardinen. Zu viele Zeugen. Wenigstens hatte ich noch die Maske auf. Meine Beine trugen mich in Windeseile zu meinem Mobby. Ich rannte wie vom Teufel gepeitscht. Im Auto nahm ich meine Maske ab und warf mich in der Fahrerkabine umständlich in ein seriöseres Outfit. Ich hauchte dem Wagen Leben ein und fuhr meinen Zielen hinterher. Irgendwoher hatte ich da so eine Idee, wohin es die Familie treiben könnte.
Ich brauste wieder gen Süden. Mein Mobby legte auf der A9 ein Höllentempo vor. Selbst Geschwindigkeitsbegrenzungen und Baustellen konnten mich nicht stoppen. Kurz nach Mitternacht wurden natürlich auch nicht so viele Verkehrskontrollen durchgeführt. Selbst wenn, hätte ich keine Rücksicht darauf nehmen können. Peter Cramme hatte sicherlich einen Vorsprung von zehn bis fünfzehn Minuten herausgefahren. Das war in etwa die Zeit, die ich von seinem Haus bis zu meinem Auto, inklusive Umziehen, gebraucht hatte. Eine Stunde vorher kam mir dieses Zeitintervall noch kürzer vor, aber da beherrschte auch Adrenalin meinen Körper.
Mein rechter Fuß trat das Gaspedal durch ; ich erhöhte abermals die Geschwindigkeit. Mobby bewegte sich nun mit zweihundert Sachen durch den Raum. Für einen Rentner unter den Automobilen war das Tempo nicht schlecht. Mehr konnte ich ihm allerdings nicht zumuten. Ich hatte es früher schon auf der Autobahn übertrieben und den Kühler überhitzt. Anschließend musste ich über eine Stunde auf die Pannenhilfe warten. Mit so einem Defekt könnte ich mir die Crammes endgültig abschminken. Natürlich wusste ich nicht, ob ich überhaupt die richtige Spur verfolgte. Mein Gefühl sagte ‚Ja‘, und darauf konnte ich mich meistens verlassen.
Ich dachte mir, dass die Familie bestimmt noch mal nach Leipzig fahren würde, um in Hannas Wohnung ein paar wichtige Sachen für ihre weitere Flucht zusammenzutragen. Bei ihrem überstürzten Aufbruch aus Berlin konnten sie nicht viele Dinge mitgenommen haben. Vielleicht hatten sie nicht einmal Geld am Mann. Hatten sie vollgetankt? Würde ihre Reise abrupt mit einem stotternden Motor enden? Ich malte mir die tollkühnsten Situationen aus, die mir in die Karten spielen könnten. Ständig spähte ich hinüber zum Randstreifen, um zu prüfen, ob jemand mit einer Autopanne auf Hilfe wartete. Oh, ich hätte ihnen gern geholfen! Auch wenn ich ihnen auf eine andere Art geholfen hätte, als sie es sich gewünscht hätten. Die Sorge um ihren kaputten Wagen hätte ich der Familie dennoch abgenommen.
Doch Peter Crammes Toyota tat mir nicht den Gefallen, schlapp zu machen. Ich hatte mittlerweile eine Abfahrt bei Dessau erreicht und die halbe Strecke nach Leipzig hinter mich gebracht. Die tagsüber viel befahrene Straße war erstaunlich leer und wirkte fast schon unheimlich. Gelegentlich überholte ich einen Lkw oder einen Kleinwagen, sonst war es gespenstisch auf der Autobahn wie in einem billigen Horrorfilm.
Sanfte Nebels chwaden zogen sich über den Asphalt. Ich assoziierte sie mit meinem Überraschungsgeschenk für Hanna. Gegen die Rauchbombe war der echte Nebel ein Witz. Er hatte nicht annähernd die Intensität der taktischen Granate besessen.
Ich fuhr rasant durch die weißen Fädchen, bis mich ein seltsames Gefühl übermannte. Die einsame Autobahn raubte mir Stück für Stück meinen Mut. Hatte ich auf das falsche Pferdchen gesetzt? Waren die Crammes gar nicht aus Berlin herausgekommen? Hatten sie sich nach Polen abgesetzt? Ich wägte meine Optionen ab. Wenden oder weiterfahren? Eine Umkehr kam nicht in Frage. Ich wollte zu Hannas Wohnung fahren und mich vergewissern, ob sie leer war oder nicht. Meine Motivation erhielt neue Nahrung.
Irgendwann im letzten Drittel des Streckenabschnitts wurde ich schläfrig. Meine Augenlider waren schwer wie Blei und fielen ständig zu. Mobby fuhr beständig langsamer. Ich pegelte die Geschwindigkeit auf überschaubare
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