Storm - Aus dem Leben eines Auftragskillers (German Edition)
eine wohltätige Sache. Die Kinder im Jugendclub dankten es ihr mit strahlenden Gesichtern zu jeder Stunde, die sie da mit ihnen verbringen durfte. Sie erinnerte sich an ein Zitat eines unbekannten Dichters: ‚Ich hörte aus dem Fenster ein Kinderlachen, und ich wusste, es wird ein guter Tag.‘ Wahre Worte für sie.
Pia räkelte sich auf der Couch und döste eine Stunde lang vo r sich hin. Sie holte den Schlaf nach, den Peter ihr gestern nicht gönnen wollte. Sie hatten sich aus beruflichen Gründen ein paar Tage nicht gesehen und taten eben das, was Ehepaare in ihrem Schlafzimmer für gewöhnlich machten. Das Liebesspiel war schön, aber es dauerte lang. Sehr lang. Peter wirkte aber so zufrieden, dass sie ihn nicht vor den Kopf stoßen wollte. Sie ließ den zärtlichen Sex zu, die volle Stunde. Nun konnte sie sich davon erholen; sie kostete jede Sekunde des süßen Nichttuns aus.
Nachdem sie sich wieder fit fühlte, musste der Alltag in ihr Leben treten. Sie hatte heute zwar frei, dennoch bedeutete das, dass sie einige Pflichten im Haushalt zu erledigen hatte. Das Bad musste mal wieder geputzt werden; auf dem Fernseher haftete schon eine dünne Staubschicht, die man problemlos mit dem Finger beschriften könnte. Danach musste sie noch einkaufen gehen, damit die Mädchen etwas zum Abendbrot hatten, wenn Peter und sie den Ball besuchen würden. Als berufstätige Mutter hatte man es gewiss nicht leicht. Dennoch empfand sie kein Unbehagen, wenn sie an ihre Aufgaben dachte. Sie war glücklich über die Arbeit, einfach nur glücklich. Sie wusste schließlich, für wen sie die Aufgaben verrichtete.
Am frühen Nachmittag hatte Pia alle ihre häuslichen Aufgaben abgearbeitet und war mit ihrer Leistung äußerst zufrieden. Sie hatte Staub gewischt, das Bad geputzt und sogar noch Wäsche gewaschen. Auch den Einkauf hatte sie erledigt und den Mädchen Brötchen und leckeren Aufschnitt besorgt.
Hanna könnte abends sogleich die Frühstücksbrote für sich und ihre Schwester schmieren. Die Große wehrte sich zwar immer dagegen, Verantwortung für ihre kleine Schwester zu übernehmen, doch wenn man ihre Mimik näher betrachtete, fand sie es gar nicht so schlimm. Hanna wusste, dass sie die Aufgaben nur erhielt, weil ihre Mutter ihr vertraute; das erfüllte sie wiederum mit Stolz. Alles in allem hatte Pia ihre Rasselbande fest im Griff. Sie hatten keine gravierenden Geheimnisse voreinander; die ganze Familie begegnete sich mit Liebe und Respekt. Es gab keine Schimpfwörter am Esstisch, keine Missgunst und keine Schläge. Pia lernte in ihrem beruflichen Werdegang genug andere Konstellationen kennen. Menschen, die ein Doppelleben führten und ihre Ehepartner wöchentlich betrogen. Eltern, die ihre Kinder aus bloßem Vergnügen windelweich schlugen, nicht einmal, weil sie ihnen Disziplin einbläuen wollten, was unter gewissen Umständen noch nachvollziehbar wäre (auch wenn ihre Kinder noch nicht mal einen kleinen Klaps bekommen hatten). Die Liste hätte sie ewig fortführen können. Die Welt war voller Bosheit; ihr Haus sollte davon gefälligst verschont bleiben.
Pia fläzte sich wieder auf ihre Couch und schaltete diese Gedanken aus. Es war ihr freier Tag. Die harte Realität würde ihr früh genug auf der Arbeit begegnen. Sie schaltete den Fernseher ein und ließ sich eine Weile von dem seichten Nachmittagsprogramm der Privatsender berieseln.
Die Zeit verstrich wie im Flug. Es war vierzehn Uhr. Pia erwartete sehnsüchtig die Ankunft ihrer jüngsten Tochter. Julie sollte heute eher aus dem Hort heimkommen, damit sie etwas Zeit mit ihr verbringen konnte. Pia rutschte schon ungeduldig auf ihrem Hintern hin und her. Sie wollte Julie in die Arme schließen und ihr einen dicken Kuss auf die Stirn drücken, so wie sie es immer tat. Weitere fünf Minuten vergingen; dann klapperte ein Schlüssel an der Haustür.
Pia verfiel in einen Freudentaumel und stürmte in den Flur. Die Tür öffnete sich; ihr kleiner Engel trat gedankenverloren ins Haus. Julie erschrak fast, als Pia ihr ohne Vorwarnung um den Hals fiel. Sie war es nicht gewohnt, dass Mama zu Hause auf sie lauerte und sie dermaßen überrannte.
» Hallo, Mama«, sagte sie erfreut.
Pia küsste sie auf die Stirn , zentral über den Augenbrauen. »Hallo, Engel. Schön, dass du endlich da bist!«
Julie lachte verlegen und nahm ihren Tornister ab. »Ich finde es auch schön, dass du mal zeitig daheim bist.«
Pia hörte einen leichten Vorwurf aus diesem Satz heraus und
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