Storm - Aus dem Leben eines Auftragskillers (German Edition)
bevor uns jemand zusammen sieht.«
Mein Körper verlangt nach mehr Koffein. Ich schnappe mir Hannas verschmähten Milchkaffe und kippe ihn zügig in mich hinein. Das Mädchen hat nicht einmal Zeit, um dagegen zu protestieren. Ich wische mir mit dem Handrücken den Mund ab und stehe auf. Der Becher fällt zurück auf den Tisch.
Hanna erhebt sich ebenfalls.
Zusammen verlassen wir das Bistro und treten hinaus auf die Straße.
Ich nicke dem Mädchen zu und sage: »Bis heute Abend! Denk an das Makeup!«
Sie sagt nichts und zwinkert nur einmal in meine Richtung. Daraufhin splitten wir uns auf. Hanna geht nach links , und ich verlasse unseren Treffpunkt nach rechts. Als ich mich noch mal nach ihr umsehe, ist sie bereits in eine Nebenstraße abgetaucht. Nichtsdestotrotz bin ich nicht allein. Ein mieses Gefühl bohrt sich in meinen Rücken. Ich spüre Blicke, die mich verfolgen. Jemand beobachtet mich. Ich weiß aber nicht, wo der Späher sitzt. Ich bin von zahlreichen Autos und Wohnhäusern umgeben. Der Spion könnte überall lauern. Beim Verlassen des Bistros habe ich in einem großräumigen Umkreis keine Auffälligkeiten bemerkt. Wenn mich tatsächlich jemand bespitzelt, ist er gut in seinem Job. Vielleicht bilde ich mir diesen ganzen hollywoodmäßigen Agenten-Scheiß auch nur ein. Die Heimlichtuerei kann dich paranoid werden lassen. Ich ignoriere das komische Gefühl in meinem Rücken und laufe unbeeindruckt weiter. Ich muss so oder so vorsichtig bleiben und ständig auf der Hut sein.
Wir sitzen im Ford Mondeo und legen die letzten Meter zu George Kingstons Wohnung zurück. Ich habe Hanna, wie zugesagt, pünktlich bei ihrem Elternhaus abgeholt. Sie stieg ein, nannte mir Kingstons Adresse und sagte seitdem kein Wort mehr. Die Verschwiegenheit liegt nicht nur an meiner Gesellschaft. Ihr aufreizendes Outfit ist ihr spürbar unangenehm.
Ich versuche, so wenig wie möglich in ihren üppigen Ausschnitt zu schielen.
Die Natur hat es echt gut mit ihr gemeint. Sie trägt ein offenherziges Abendkleid mit einem tiefen Schlitz an der Seite, der ihre Strapse durchschimmern lässt. Am liebsten würde ich sie fragen, zu welchem Anlass sie sich diesen Fetzen Stoff besorgt hat, verkneife mir den Eingriff in ihre Privatsphäre aber. Hanna hätte mir das Geheimnis wahrscheinlich sowieso nicht anvertraut. Ihre dunkel geschminkten Augen sprechen eine deutliche Sprache. Kein Ton über mein Aussehen, sonst setzt es Hiebe, statt Liebe! Dabei könnte ich ihr pausenlos Komplimente an den Kopf werfen. Ich könnte ihre vollen roten Lippen loben, über ihre aufgeschwungenen Wimpern schwärmen oder ihre weiblichen Kurven hervorheben. Sie ist ein Bild von einer Frau. Hielt ich sie vor einer Woche noch für grobschlächtig, muss ich diese Aussage nun revidieren. Auch wenn ich mir nicht ernsthaft ein Verhältnis mit ihr vorstellen könnte, kribbelt es durch ihre bloße Anwesenheit in meinem Schritt. Kein Grund zur Sorge! Das sind nur die Gefühle eines Mannes, der seit einigen Tagen nicht zum Schuss gekommen ist. Ich kann hervorragend einschätzen, dass ihr jetziges Aussehen nicht von Dauer ist und sie aus freien Stücken selten so herumlaufen würde. Bald verwandelt sie sich wieder in die graue Maus, die lieber in der Masse untergeht, als sich von ihr abzuheben. Jammerschade! Aber bei ihrer Vergangenheit ist es nicht verwunderlich, dass sie nicht gerne im Rampenlicht steht. Sie hat Angst, dass sie dasselbe Schicksal erleidet, wie ihre Mutter.
» Hier ist es!«, durchbricht Hanna die Stille im Auto. Ihr rechter Zeigefinger, der mit rotem Nagellack veredelt wurde, zeigt auf ein mehrstöckiges Gebäude mit hochwertiger Fassade.
Ich erkenne einen Mix aus Glas und Marmor. Wir befinden uns in der Nähe der rostig roten Oberbaumbrücke, die die Bezirke Kreuzberg und Friedrichshain über die Spree hinweg verbindet. Die zentralen Türme des Bauwerks ragen hoch über das fließende Wasser in den erleuchteten Nachthimmel hinein.
Ich parke den Wagen bei der nächsten Gelegenheit in einer freien Lücke auf dem Standstreifen.
Hanna schaut mir tief in die Augen. Ich sehe mein Spiegelbild in diesen funkelnden Sternen. Ich zapple unbewusst im Auto herum. Schweiß sammelt sich unter meinen Achseln. Ich konnte den ganzen Tag keinen klaren Gedanken fassen, war hypernervös. Hier könnte es beginnen, aber auch abrupt enden. Hannas und meine Zukunft hängen am seidenen Faden. Und noch etwas macht mir zu schaffen: Ich werde heute töten müssen. Ob Hanna
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