Storm: Thriller (German Edition)
hinterließ ihm eine Nachricht, dass wir unterwegs waren, aber als wir dort ankamen, war kein Siegel in Sicht. Wir warteten noch ein paar Minuten und hielten unsere Sitzung schließlich ohne ihn ab. War mir gerade recht.
51
Patel brachte mich hinsichtlich der E-Mails an die True Press schnell auf den neuesten Stand. Ehrlich gesagt, allzu viel gab es dazu auch nicht zu sagen, zumindest zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht.
»Die Kopfzeilen, die IP-Adresse und das, was ich bei der Datenbank der Georgetown University in Erfahrung gebracht habe, das alles deutet darauf hin, dass Jason Wexlers E-Mail-Konto zu dem Zeitpunkt, als die beiden Nachrichten abgeschickt wurden, aktiviert war«, sagte sie.
»Was aber nicht bedeutet, dass Wexler persönlich sie abgeschickt hat, oder?«
»Keineswegs. Das bedeutet nur, dass beide E-Mails von seinem Konto aus abgeschickt oder zumindest über sein Konto geleitet worden sind.«
»Über sein Konto geleitet?«
»Es ist denkbar, dass irgendjemand einen Remailer, also einen anonymen Internetdienst, in Anspruch genommen hat, aber es gibt eigentlich keinen Grund dafür. Ein gestohlener Laptop, der für immer verschwunden bleibt, ist kriminaltechnisch gesehen eine perfekte Sackgasse. Wenn Sie einen Augenzeugen für den Diebstahl auftreiben könnten, würde uns das wahrscheinlich sehr viel eher weiterhelfen.«
»Wir haben alles abgegrast, vorn, hinten, überall rund um die Stelle, wo Wexlers Computer angeblich gestohlen wurde«, erwiderte ich. »Hat nichts gebracht. Und die nächstgelegenen Überwachungskameras hängen vor dem District Department of Transportation drüben in der K-Street. Vom Park selbst gibt es keine einzige Aufnahme. Niemand hat irgendwas gesehen – was ich, ehrlich gesagt, ein bisschen merkwürdig finde.«
Patel ließ sich gegen die Stuhllehne sinken und spielte mit einem Kugelschreiber. »Also, soll ich weitermachen? Ich habe nämlich noch mehr schlechte Nachrichten für Sie.«
Ich strich mir mit der flachen Hand übers Kinn, ein alter Tick von mir. »Sie sind der reinste Sonnenschein heute, nicht wahr?«
»Streng formal betrachtet ist Siegel dafür zuständig, also können Sie das nicht gegen mich verwenden«, sagte sie. Ich arbeitete gern mit Patel zusammen. Wie ernst die Lage auch war, sie verlor nie ihren abgründigen, schwarzen Humor.
»Also dann, raus mit der Sprache«, sagte ich. »Ich kann alles ertragen.«
»Es geht um diese Unterschrift ›ein Patriot‹, wie sie sich in einer der E-Mails genannt haben. Seitdem die True Press die ganze Geschichte veröffentlicht hat, scheint diese Bezeichnung sich irgendwie festgesetzt zu haben, und zwar auf ziemlich beängstigende Art und Weise. Jetzt haben wir auf beiden Seiten des politischen Spektrums jede Menge Leute mit Schaum vor dem Mund, von den radikalen Globalisierungsgegnern bis hin in die rechtsextreme Ecke. Das FBI geht davon aus, dass es zu Nachahmertaten kommen könnte.«
Sie startete eine ganz normale Suchmaschinenanfrage auf ihrem Laptop. Keine Minute später ging ich die Ergebnisse durch – Webseiten, Blogs, Vlogs, Chat-Räume, bürgerliche Kommentare, Randgruppenpresseorgane –, die sich allesamt anerkennend über den »Patriotismus« äußerten, der das angebliche Motiv für diese Heckenschützenmorde sein sollte.
Ich hatte so etwas schon öfter erlebt. Allein Kyle Craig verfügte über Legionen von Anhängern oder Jüngern, wie er sie zu nennen pflegte. Aber Patel hatte recht. Das hier besaß das Potenzial, sich sehr viel weiter auszudehnen – zu einer Graswurzelbewegung zu werden, deren Anhänger nicht weniger als ganz Amerika auf dem Spiel stehen sahen und für die umfassende Gewaltaktionen die einzig denkbare Lösung war.
»Wollen Sie wissen, wie man die Irren am besten aus ihren Löchern lockt?«, fragte sie über meine Schulter hinweg. »Verpacken Sie irgendein Dogma in eine amerikanische Flagge und warten Sie ab, wer anbeißt. Wie gesagt – ausgesprochen beängstigend.«
52
Gegen halb acht waren Patel und ich endlich fertig und standen auf, um das Büro zu verlassen. Doch dann drehte sie sich zu mir um und warf mir einen Blick zu, der eindeutig zweideutig war … und ebenfalls beängstigend, nur eben auf andere Weise.
»Haben Sie schon einmal selbst gemachtes Chana Masala gegessen?«, erkundigte sie sich.
Ich wollte auf keinen Fall irgendwie arrogant wirken. »Selbst gemacht? Noch nie.«
»Weil ich nämlich eine ziemlich gute Köchin bin, auch wenn ich nicht danach aussehe.« Sie
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