Storm: Thriller (German Edition)
stehen.
Eine uniformierte, blonde Polizeibeamtin stieg aus und winkte mir zu.
»Detective Cross?«
»Ja.«
»Ich bin Officer Guadagno. Detective Cowen hat mich gebeten, Sie so schnell wie möglich abzuholen. In der Stadt hat es einen Mord gegeben. Das Opfer ist eine Frau namens Bernice Talley.«
Das sollte wohl heißen, dass Cowen von meinem Fall abgezogen worden war.
»Können Sie mich dann zum Polizeiparkplatz bringen und mir den beschlagnahmten Wagen zeigen, oder müssen wir erst noch jemanden fragen?«, erkundigte ich mich.
»Nein«, antwortete sie. »Ich meine, Sie haben mich nicht richtig verstanden. Cowen möchte, dass Sie zum Tatort kommen. Er glaubt, dass die Ermordung von Mrs. Talley irgendwie damit zusammenhängt.«
»Mit dem Suburban? Mit meinem Heckenschützenfall?«
Die Polizeibeamtin fummelte an ihrer Hutkrempe herum. Sie wirkte ein bisschen nervös. »Mit beidem, vielleicht«, sagte sie. »Noch wissen wir nichts Eindeutiges, aber der Mann dieser Frau wurde vor zwei Jahren erschossen aufgefunden, und zwar gleich da drüben.« Sie deutete auf ein kleines Wäldchen rund dreißig Meter das Ufer hinauf. »Der Gerichtsmediziner hat damals einen Jagdunfall festgestellt, aber ein Schütze hat sich nie gemeldet. Cowen nimmt an, dass der Suburban hier nicht zufällig versenkt wurde. Ehrlich gesagt, so viele Morde gibt es in dieser Gegend nicht. Er glaubt, dass der Sohn, Mitchell Talley, in beiden Fällen ein wichtiger Zeuge sein könnte.«
Sie blieb stehen, legte die Hand auf die geöffnete Autotür und blickte mich jetzt direkter an als zuvor.
»Detective, es geht mich vielleicht nichts an, aber glauben Sie, dass dieser Kerl der Heckenschütze von Washington sein könnte? Ich habe den Fall von Anfang an aufmerksam verfolgt.«
Ich wich ihr aus. »Bevor ich etwas sage, würde ich mir gerne den Tatort ansehen.«
Aber die Antwort auf ihre Frage lautete eindeutig Ja.
79
Vor Bernice Talleys Haus parkten zahlreiche Streifenwagen. Das ganze Grundstück war abgesperrt, und die Nachbarn standen am Rand und schauten zu. Ich zweifelte nicht daran, dass sie alle heute Nacht und in vielen kommenden Nächten ihre Türen und Fenster fest verriegeln würden.
Meine Begleiterin brachte mich ins Haus und stellte mich Detective Scott Cowen vor. Er schien der Einsatzleiter zu sein, groß gewachsen und mit breitem Brustkasten. In seiner Glatze spiegelte sich das Licht, während er redete … und redete.
Genau wie am Telefon überschüttete er mich mit einem langatmigen, aber weitgehend informativen Monolog.
Der Junge, der jeden Sonntag ihren Rasen mähte, hatte Mrs. Talley auf dem Küchenfußboden liegend gefunden. Sie war mit einem Schuss in die Schläfe aus kurzer Distanz getötet worden, vermutlich mit einer Neun-Millimeter. Der Todeszeitpunkt stand noch nicht fest, aber es war maximal zweiundsiebzig Stunden her.
Die Frau lebte allem Anschein nach allein, seitdem ihr Sohn Mitchell vor zwei Jahren ausgezogen war … kurz, nachdem der Vater einen gewaltsamen Tod gefunden hatte. Es ging außerdem das Gerücht, dass Mr. Talley seine Frau regelmäßig geschlagen und auch Mitchell die eine oder andere Tracht Prügel abbekommen hatte.
»Das wäre dann ein Motiv, zumindest für den Tod des Vaters«, fügte Cowen hinzu. »Aber wieso er ausgerechnet zurückkommen und seine arme Mutter umbringen soll, das kann ich mir beim besten Willen nicht erklären. Und dann haben wir ja noch das alles hier.«
Er zeigte mir ein Regal im Wohnzimmer, voller Medaillen und Pokale. Alle Auszeichnungen stammten von Schützenwettbewerben – vom New Jersey Rifle and Pistol Club, der Junior National Rifle Association, diverse Fünfzig- und Dreihundert-Meter-Ausscheidungen, Zielschuss-Wettbewerbe. Es waren überwiegend erste Plätze, nur wenige zweite und dritte.
»Der Junge ist ein Ass«, sagte Cowen. »Eine Art Wunderkind oder so. Aber vielleicht auch ein bisschen … einfach gestrickt. Verstehen Sie?«
Er zeigte auf ein gerahmtes Foto auf einem Beistelltischchen. »Das ist er, vor vielleicht zehn Jahren. Aber für die Fahndung brauchen wir ein neueres Foto.«
Der Junge auf dem Foto sah aus wie sechzehn. Sein rundliches Gesicht hatte etwas Engelhaftes, abgesehen von dem stumpfen Blick und dem lächerlichen Ansatz eines Schnurrbarts. Es war schwer vorstellbar, dass ihn damals irgendjemand für voll genommen hatte.
Die Waffen verleihen ihm Macht , dachte ich. Schon immer.
Ich betrachtete mir all die Trophäen und Pokale. Vielleicht war
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