Stormwalker: Durch das Feuer (German Edition)
ich sein Handy auf meinem Toilettentisch entdeckt. Der Anblick hatte mir furchtbar wehgetan.
Ich konnte den Spiegel bitten, Mick zu rufen. Das funktionierte aber nur, wenn Mick seine Scherbe nicht weggeworfen hatte oder wenn er sie aus seiner verdammten Hosentasche nahm, sobald er den Spiegel reden hörte. Meine Scherbe hatte ich oben auf dem Dach gelassen, doch ich hatte noch eine in einem Lederbeutel in meiner Jacke. Durch sie wie auch aus dem Saloon konnte ich das Entsetzen des Spiegels spüren. Weil ich ihn aufgeweckt hatte, musste er mir gehorchen, ob es ihm gefiel oder nicht. Und jetzt hatte er Angst vor mir, und ich hatte nicht das Herz, ihn zur Arbeit zu zwingen.
Ich fühlte mich so allein, dass ich dachte, ich müsste sterben.
Stundenlang saß ich da, während der Mond über den Himmel zog und die Schatten wanderten. Ich spürte, wie die Magie wieder herauskommen und spielen wollte, aber ich hatte mich fest im Griff. Ich konnte sie abwehren. Vielleicht.
Die Klinke wurde heruntergedrückt, und die Tür ging auf. Das helle Lichtrechteck tat mir in den Augen weh. Maya kam herein und ließ die Tür hinter sich offen.
»Bist du okay, Janet?« Sie setzte sich aufs Fußende des Bettes. »Alle machen sich Sorgen um dich, aber sie trauen sich nicht reinzukommen.«
»Und du hast keine Angst?«
»Nein.« Maya trug heute Abend Jeans und ein Hemd, doch sie sah darin genauso wunderschön aus wie in ihrem türkisfarbenen Partykleid. »Das Einzige, was mir Angst macht, sind die Standpauken meiner Mutter, dass ich heiraten und Kinder kriegen soll. Sie sagt, in ein paar Jahren bin ich fett und hässlich, also sollte ich mir bis dahin besser einen Mann angeln und ein paar Kinder werfen.«
Ich wollte lächeln, aber mein Mund war zu angespannt. »Wenn du anfängst, ein wenig Sport zu treiben und auf dich achtest, siehst du noch lange aus wie jetzt.«
»Hast du was gegessen, seit wir zurück sind?«
Ich schüttelte den Kopf. Ich hatte vorgehabt, mir in der Küche etwas zu Mittag zu holen, bin jedoch nicht dazu gekommen.
Maya hielt mir die Hand hin. »Komm mit! Wir besorgen dir was zum Abendessen.«
»Ich kann nicht.«
»Ich bring dir kein Tablett rein. Deine Köchin ist eine Furie, und ich will sie nicht unterbrechen, wenn sie mit ihren Messern zugange ist.«
»Maya, ich kann nicht. Ich habe Jamison vom Dach geworfen. Ich hätte ihn töten können.«
»Stand er deshalb praktisch nackt draußen am Gleisbett? Weißt du, er ist wirklich scharf. Wenn er nicht verheiratet wäre …«
»Das ist kein Witz.«
Maya packte mich an der Hand und zog mich mit überraschender Kraft auf die Beine. »Wenn du schwere Zeiten durchmachst, wirst du nur schwächer, wenn du nichts isst.«
Im Moment fühlte ich mich so schwach wie ein Floh. Schwächer – Flöhe können fies sein.
Aus irgendeinem Grund versuchte ich nicht, Maya davon abzuhalten, mich aus dem Zimmer und durch die Lobby zu bugsieren. Wenigstens ließ sie mich meine Jacke mitnehmen. Cassandra sah vom Empfangstresen aus zu, machte aber keine Anstalten einzuschreiten. Pamela stand mit verschränkten Armen bei ihr und sah Respekt einflößend aus. Sie beschützte Cassandra, erkannte ich erschrocken. Vor mir.
Maya führte mich hinaus auf den Parkplatz zu ihrem Laster, der inzwischen von seinem Abenteuer in Las Vegas zurückgekehrt war. In der Crossroads Bar herrschte Hochbetrieb, der Parkplatz stand voller Motorräder, und ein Pulk von Bikern, Männern und Frauen, hatte sich am Eingang versammelt. Nash Jones führte hier ab und an Razzien durch, immer auf der Suche nach Drogen und Waffendealern. Ich hoffte, er plante nicht heute Nacht einen derartigen Einsatz, weil ich ihn nicht sehen wollte.
Ich hatte gedacht, Maya würde mich zum Diner fahren und mir einen Cheeseburger und einen Milchshake aufnötigen, aber sie fuhr daran vorbei und bog in die Straße ein, die zu ihrem eigenen Haus führte. Das weiße Holzhaus stand etwas abseits der Straße auf einem ordentlich gemähten Rasen. Blumen blühten im winzigen Beet unter dem Wohnzimmerfenster.
Maya schloss uns auf. »Mach dich erst mal frisch! Ich bereite uns was zu essen zu.«
Ich sah in den Badezimmerspiegel und unterdrückte einen Schrei. Mein Gesicht war weiß wie die Wand und voller Dreckstreifen, die wohl von meiner Kletteraktion über das Dach stammten. Mein T-Shirt war zerrissen und genauso schmutzig. Aber was mir wirklich Angst machte, waren meine Augen. Sie blitzten eisgrün auf, als ich mich ansah, und nahmen
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