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Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald

Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald

Titel: Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Schreiner
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sein.«
    »Würde sich gut an meiner Halskette machen. Wo haben Sie das Kreuz gefunden?«
    »In einem Feld.« Baltasar kam ein Gedanke. Er holte den Rosenkranz, den ihm Sebastian gegeben hatte, und legte ihn neben das Kreuz. »Sehen Sie, Teresa, das passt genau zusammen.« Tatsächlich hing an dem Kreuz noch ein Verbindungsglied, das identisch war mit den übrigen Gliedern der Gebetskette. Das Schmuckstück war fein gearbeitet, Perlen aus Halbedelsteinen waren in Gruppen angeordnet und durch kleinere Perlen getrennt. Das Kreuz war an einem Strang befestigt gewesen, der einige Zentimeter von der Kette hing. Es war die klassische Anordnung, wie man sie in der katholischen Kirche kannte, jeder Schmuckstein stand für ein Gebet, mehrheitlich Ave-Maria zur Verehrung der Mutter Gottes. Das Kreuz repräsentierte das Glaubensbekenntnis, gefolgt von mehreren Vaterunser.
    Für die Gläubigen war der Rosenkranz eine Leitschnur, die Glieder wie Knoten im Taschentuch, die einem beim Zählen der Gebete halfen. Es hatte etwas Meditatives, das ständige Wiederholen derselben Gebete, manche jedoch fanden es eintönig und mechanisch. Auch andere Religionen nutzten die Gebetskette für Andachten, es war ein weltumspannendes Ritual. Im Islam hieß die Kette Misbaha, in der Regel mit neunundneunzig Perlen, die die verschiedenen Namen Allahs darstellten. Im Hinduismus und Buddhismus war der Name Mala, mit hundertacht Gliedern für die Lehren Buddhas. Die orthodoxe Kirche verwendete die Tschotki für das Jesusgebet.
    Für Baltasar war es der schönste Rosenkranz, den er je gesehen hatte. Was mochte er wohl wert sein? Und wer legte eine solche Kostbarkeit einer Leiche bei? Einiges bei seinem Fund im Feld war extrem ungewöhnlich gewesen: Das Skelett hatte quasi nackt in der Erde gelegen, ohne Reste von Kleidung. Überdies hatte er keinen Sarg gefunden. War die Tote einfach so verscharrt worden? Aus welchem Grund? Je länger Baltasar darüber nachdachte, desto merkwürdiger kam ihm das Ganze vor. Alles deutete auf eine Gewalttat hin.
    Er hatte keine Lust mehr, sich weiter den Kopf zu zerbrechen. Da Teresa keine Anstalten machte, doch noch zu kochen, beschloss er, einen Abstecher in das Gasthaus »Einkehr« zu unternehmen. Es bot eine seltsame Mischung aus bayerischen und asiatischen Elementen, mit Holztischen und weiß-blau-karierten Vorhängen, die Nischen dekoriert mit Bonsaibäumchen und Jadefiguren. Die Wirtin Victoria Stowasser hatte das Gasthaus nach ihrer Vorstellung umgebaut und war von dem missionarischen Eifer beseelt, den Menschen dieses Landstrichs nicht nur Schweinsbraten und Schlachtplatte näherzubringen, sondern auch ausgefallene Gaumenfreuden wie indische Reisknödel zu Hirschgulasch oder Shrimps-Teigtaschen auf Speck-Sauerkraut – was bei den Einheimischen auf ungefähr so viel Begeisterung stieß wie Karottenbrei zum Frühstück.
    Im Wirtshaus saßen nur wenige Gäste. Der Metzger des Ortes starrte allein in ein Glas Bier, eine Gruppe Fremder lärmte am Ecktisch, der Sparkassendirektor zeigte seiner Gattin etwas auf dem Teller.
    »Guten Abend, Frau Trumpisch, grüß Gott, Herr Trumpisch.« Baltasar blieb an ihrem Tisch stehen. »Was ist heute empfehlenswert?«
    »Ich hab gerade die Form der Schupfnudeln bewundert«, sagte der Bankchef, »meine Frau lässt sich jedoch nicht überzeugen, davon zu probieren. Sehen Sie, Herr Pfarrer«, der Mann schob ein Stück auf dem Teller hin und her, »sieht aus wie ein kleines U-Boot.«
    Die Frau verdrehte die Augen. »Was er heute wieder zusammenfantasiert. Also mein Surfleisch schmeckt hervorragend.«
    »Sieht gut aus. Wie gehen die Geschäfte in der Sparkasse?«
    »Wenn Sie damit meinen, ob unser Haus wieder eine Spende für die Gemeinde überweist, muss ich Sie enttäuschen, Herr Pfarrer. Bei den niedrigen Zinsen bleibt kaum mehr etwas hängen. Ich weiß noch gar nicht, welche Zahlen ich unserem Verwaltungsrat zum Jahresende berichten muss.«
    »Für einen neuen Dienstwagen hat es aber gereicht. Oder täusche ich mich da, Herr Trumpisch? Haben Sie den etwa selbst bezahlt?«
    Der Sparkassendirektor bekam einen Hustenanfall. Seine Frau schlug ihm auf die Schulter. »Sie brauchen gar keine süffisanten Bemerkungen machen, Herr Senner. Das ist ein Leasingfahrzeug, das mir mein Arbeitgeber zur Verfügung gestellt hat«, sagte er, nachdem er sich wieder beruhigt hatte. »Ich spare dem Unternehmen damit Geld. Was glauben Sie, wie viele Fahrkilometer ich sonst abrechnen müsste?«
    »Keine

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