Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald
Ahnung, aber ich gönne Ihnen selbstverständlich das Auto. Sie haben hart dafür arbeiten müssen.« Baltasar vermied jede Ironie in der Stimme. Er dachte daran, dass er bisher auf ein eigenes Fahrzeug verzichtet hatte, weil die Kirchenoberen in Passau sich knausrig zeigten. »Und ich wollte Sie nicht um eine Spende bitten.«
»Verstehen Sie mich nicht falsch, die Bank fühlt sich natürlich der Kirchengemeinde sehr verbunden, und ich bin der Letzte, der nicht mal die Kasse öffnet für Ihre sozialen Projekte. Aber die Sparkasse steht vor großen Investitionen, da muss man mit spitzem Bleistift rechnen, schließlich habe ich mich für meine Entscheidungen auch zu rechtfertigen.«
»Auf jeden Fall freue ich mich, Sie beide am Sonntag in der Kirche zu sehen. Schönen Abend noch.« Baltasar nickte und suchte sich einen freien Tisch. Die Speisekarte versprach Genuss, er freute sich auf das Essen und hatte zugleich ein schlechtes Gewissen, weil er den Kühlschrank zu Hause hatte links liegen lassen. Gut essen und trinken war ihm jedoch ein Bedürfnis, ein Vermächtnis seiner Eltern, die einen kleinen Feinkostladen betrieben hatten, bevor sie gezwungen waren, ihr Geschäft aufzugeben.
Das Ragout von Kaninchen und Bambussprossen klang gut. Dazu ein Spätburgunder aus Baden. Victoria Stowasser kam aus der Küche. Als sie den neuen Gast sah, huschte ein Lächeln über ihr Gesicht.
»Wenn Sie wüssten, wie sehr ich mich danach sehne.«
»Sie sprechen vom Kaninchenragout?«
»Ich spreche von einem besonderen Erlebnis. Ihre Kochkünste sind einfach unwiderstehlich.«
Und nicht bloß das, fügte Baltasar im Stillen hinzu. Victoria hatte die Haare mit einem Gummiband nach hinten gebunden, was die Konturen ihres Gesichts reizvoll hervorhob. Sie trug eine braune Hose und ein T-Shirt unter ihrer Schürze. Ihre rechte Hand war verbunden. »Haben Sie sich verletzt?«
Sie bemerkte Baltasars Blick. »Ach das. Nichts Schlimmes, nur eine Kleinigkeit. Ich bin an die heiße Pfanne geraten. So was kommt in einer Küche vor. Der Schmerz hat schon nachgelassen.« Sie sprach hochdeutsch mit einer Prise niederbayerisch, niemand wäre darauf gekommen, dass sie eigentlich aus Stuttgart stammte.
Wie zerbrechlich sie in diesem Moment wirkte. Baltasar hätte Victoria am liebsten in die Arme genommen und getröstet. Ein Wunsch, mächtig und unerfüllbar. Dabei bräuchte er nur die Hand auszustrecken nach ihr. Doch er blieb wie gelähmt. Es reichte ihm, still dazusitzen und ihren Zauber auf sich wirken zu lassen. Nichts analysieren, nichts denken oder hinterfragen, sie nur ansehen, ihre Anwesenheit spüren und den Moment genießen. Baltasar wünschte, er könnte diesen Augenblick festhalten, ihn einfrieren, um ihn für die Ewigkeit zu behalten.
»Was gibt’s zum Nachtisch?« Er versuchte, seine Gedanken zu verscheuchen.
»Sie haben die Wahl, Herr Senner. Ich habe noch etwas Himbeermousse und eine Schokoladencreme. Für Sie mache ich aber gern eine Portion Cr ê pes mit Apfelstückchen, flambiert mit Calvados.«
»Lassen Sie nur, Sie haben heute schon genug Pech mit Ihrer Pfanne gehabt. Ich nehme die Schokoladencreme.«
»Haben Sie schon gehört, es soll bei uns ein Golfhotel gebaut werden, mit Hallenbad und Sauna und ganzjährigen Sportangeboten? Ein Edelrestaurant ist ebenfalls geplant.«
»Der Bürgermeister hat mir davon erzählt. Sie wissen doch, wie sehr ihm das Thema Arbeitsplätze und das Wohl der Gemeinde am Herzen liegen.«
»Sie meinen eher das Wohl seiner Brieftasche. Er soll ein Grundstück besitzen in der Gegend, wo das künftige Immobilienprojekt geplant ist.«
»Da haben Sie nicht ganz unrecht. Aber wenn Sie sich um Ihre Gaststätte Sorgen machen, da kann ich Sie beruhigen: Sie kochen viel besser als alle anderen, die ich kenne.«
»Nun übertreiben Sie mal nicht.« Victoria lächelte und zupfte an ihren Haaren. »Eine Konkurrenz wäre so etwas schon.«
»Ein solches Hotel hat eine andere Klientel. Touristen aus Norddeutschland. Golfspieler mit komischen karierten Hosen und Schirmmützen und Lederhandschuhen, die man zu allem Überfluss nur an einer Hand tragen darf. Deren Tischgespräche drehen sich immer um Abschläge und darum, aus welchem Grund man wieder einen Ball in einem Teich versenkt hat. Wollen Sie solche Aliens in Ihrem Wirtshaus sitzen haben? Es reichen doch schon die da.« Baltasar deutete auf die Personen am Ecktisch.
»Nun, alles ist eine Konkurrenz. Es ist nicht so, dass ich mich über einen Ansturm
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