Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald
Archäologen, wenn die einen Knochen ausgraben?«
»Das lässt sich nicht miteinander vergleichen.« Dix untersuchte den Kerzenständer neben dem Altar. »Hübsche Arbeit, sehr alt.« Er wandte sich wieder Baltasar zu. »Das mit der Beleidigung kümmert uns nicht. Sie geben also zu, einen Schädel ausgegraben zu haben?«
»Ich bin bei meinen Grabungen zufällig auf die Tote gestoßen, und dann kamen diese Touristen vorbei.«
»Woher wollen Sie wissen, dass es eine Frau ist?« Mirwald runzelte die Augenbrauen.
»Geraten.« Baltasar zog es vor, seine Recherchen im Krankenhaus für sich zu behalten.
»Hochwürden, es ist schon sehr ungewöhnlich, dass ein Pfarrer irgendwo in der Wildnis in einem Feld herumbuddelt. Was hat Sie denn da geritten?«
Mirwald verschränkte die Arme. »Gibt es eine Seite an Ihnen, die wir noch nicht kennen? Einen Abgrund Ihrer Seele?«
»Ich glaube, Sie schauen zu viele Gruselfilme. Sie wissen schon, wenn Menschen nachts auf den Friedhof schleichen und Leichenteile aus Gräbern stehlen, wie in den Schwarzweißfilmen mit Boris Karloff. Mit Ihnen geht die Fantasie durch. Ich war einfach neugierig, ob die Totenbretter dort wirklich ein Grab markieren.« Baltasar sah vorerst keinen Grund, Sebastian in die Sache mit hineinzuziehen.
»Reichlich dünn, was Sie uns da auftischen.«
»Dicker geht’s nicht, so leid es mir tut, Herr Doktor. Außerdem: An dem Skelett war etwas merkwürdig.«
»Merkwürdig? Könnten Sie ein wenig präziser werden, wenn es gefällt, Herr Pfarrer?«
»Ich kann es nicht genau beschreiben, ich bin kein Experte, aber alles wirkte auf mich seltsam: die Lage des Grabes, der Zustand der Knochen, das Fehlen typischer Dinge, die zu einer Beerdigung gehören.«
»Genauer bitte.«
»Beispielsweise gibt es keinen Sarg, zumindest habe ich keinen gefunden. Keine Kleidungsreste – nichts.«
»Das ist seltsam«, sagte Dix. »Aber wahrscheinlich gibt es dafür eine einfache Erklärung.«
»Oder es steckt tatsächlich mehr dahinter.«
»Ein Verbrechen, meinen Sie? Jetzt geht die Fantasie aber mit Ihnen durch. Sie schauen sich zu viele amerikanische Krimiserien an, Sie wissen schon, die, wo anhand einzelner Knochenteile ein Mord rekonstruiert wird. Das gibt es nur im Fernsehen, glauben Sie mir.«
»Glauben heißt nicht wissen.«
Daraufhin herrschte eine Weile Schweigen. »Ich habe eine Idee«, sagte Dix plötzlich in die Stille hinein. »Machen wir doch einfach eine Tatortbegehung. Herr Senner, haben Sie Ihre Schaufel griffbereit? Sie können bei uns mitfahren.«
Die Stelle in dem Feld war nur schwer auszumachen. Hatte jemand den Boden eingeebnet? Baltasar versuchte sich zu erinnern, wo genau der Totenkopf gelegen hatte. »Probieren wir es hier.«
»Und wer schaufelt?« Mirwald sah die anderen fragend an.
»Sie natürlich, Mirwald, das gehört zur Ermittlerarbeit dazu. Ich bin zu alt für solche Scherze und hab’s außerdem mit dem Kreuz«, sagte Dix. »Sonst schmiert mir meine Frau heute Abend den Rücken mit Franzbranntwein ein. Ich kann das Zeug nicht ausstehen, allein schon der Geruch. Und passen Sie ja auf, dass Sie keine Beweismittel zerstören.«
Dreißig Minuten später stieß Mirwald auf etwas Hartes. »Wir sind fündig geworden.« Er zog sich Gummihandschuhe über und legte den Knochen frei. »Das ist ein Fuß.« Es dauerte eine weitere halbe Stunde, bis er das komplette Skelett oberflächlich freigelegt hatte. Der Schädel lag etwas abseits.
»Wäre natürlich besser gewesen, Sie hätten den Totenkopf an der ursprünglichen Fundstelle gelassen, Herr Pfarrer.« Dix kniete sich nieder. »Was sehen Sie, Mirwald?«
»Stoffreste fehlen tatsächlich, ebenso Teile eines Sarges. Wobei alles bereits verrottet sein kann, wer weiß, wie lange der oder die Tote da bereits liegt. Für mich ist es ein Frauenskelett.«
»Da stimme ich Ihnen zu. Irgendwelche Spuren, die auf einen gewaltsamen Tod hindeuten?«
»Nichts außer der Tatsache, dass der Kopf vom Rumpf getrennt ist. Aber das kann auch beim Ausgraben passiert sein.«
Ein Traktor fuhr vorbei, bremste. Am Steuer saß Alfons Fink. Baltasar winkte ihm zu. Der Landwirt tat so, als habe er ihn nicht gesehen, und beschleunigte wieder.
»Ein Freund von Ihnen?«
»Der Bauer, der das Feld gepachtet hat.«
Dix holte einen Kugelschreiber aus der Tasche und reinigte damit den Bereich der Halswirbelsäule. »Gucken wir mal, was uns die alten Gebeine erzählen. Mirwald, Ihr Urteil?«
»Dazu müssten wir das Skelett im
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