Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald
die Teresa angeschafft haben musste. Sie waren in Folie eingeschweißt. Baltasar wagte es nicht, die Verpackung aufzureißen und in den Bänden zu schmökern. Er bediente sich im Kühlschrank an einer Schüssel mit Kompott, die sich nach dem ersten Löffel als Grundlage für eine Soße herausstellte, wie Baltasar voller Optimismus annahm. Am Ende kaute er zwei Wiener Würstchen und kippte lauwarmen Orangensaft hinterher, was seine Laune nicht gerade hob.
Baltasar schob den Rosenkranz in die Tasche und ging zu seinem Freund Philipp Vallerot. Der wohnte in einem Haus auf einer Anhöhe abseits des Zentrums. Am Eingang zu seinem verwilderten Garten stand eine Steinfigur, die aussah wie ein Drache mit menschlichen Zügen.
»Meine Überwachungskamera hat dich schon gemeldet.« Vallerot stand in der Tür, noch bevor Baltasar die Klingel hatte drücken können. »Komm rein. Ich sehe mir gerade die restaurierte Fassung von Fritz Langs Metropolis an.«
»Von ihm gefällt mir M – Eine Stadt sucht einen Mörder besser. Da war die Schnitttechnik virtuoser, und die Übergänge sind genial – die Story sowieso.«
» Metropolis ist der Science-Fiction-Klassiker schlechthin, dagegen ist Star Wars Kinderkacke.«
»Darüber kann man unterschiedlicher Meinung sein. Einigen wir uns darauf, dass Lang ein hervorragender Regisseur war.« Baltasar setzte sich in einen der Wohnzimmersessel, die aussahen wie ein halbes Ei. »Immerhin scheint es dir gut zu gehen – wenn du schon am späten Vormittag vor der Glotze hockst.«
»Nenn mein Heimkino bitte nicht Glotze. Ich betreibe quasi wissenschaftliche Studien, um die Fahne des klassischen Schwarzweißfilms hochzuhalten. Ich weiß, wir beide sind da in der Minderheit. Aber ich vermute, du bist nicht gekommen, um mit mir eine weitere DVD zu genießen?«
»Ich brauche deine Expertise für ein besonderes Stück.« Baltasar legte den Rosenkranz auf den Tisch. »Kannst du dir das ansehen, mich würde interessieren, wie alt es ist und welchen Wert so was hat.«
»Willst du die Kette einer Frau schenken? Etwa deiner Victoria? Die würde sich über eine solche Geste der Zuneigung sicher freuen.« Vallerot betonte das Wort »Zuneigung«, als meine er in Wirklichkeit etwas anderes.
»Lass deine Anspielungen. Sag mir nur, was du davon hältst.«
Vallerot ging mit Baltasar in einen Nebenraum, der wie eine Mischung aus Labor und High-Tech-Studio anmutete. Mehrere Computer, Monitore und Analysegeräte, Schränke mit Fachbüchern, ein Arbeitsbereich in Edelstahl. »Gib her.« Er legte die Kette unter ein Mikroskop und stellte scharf. »Die Rubine haben einen sehr guten Schliff und nur wenige Einschlüsse. Die Amethysten und Rosenquarze sind von exzellenter Qualität, die Fassungen von Hand hergestellt.« Er machte einige Tests. »Alle Steine sind echt, keine Imitate. Schönes Stück.«
»Und der Wert?«
»Kommt auf Angebot und Nachfrage an. Man könnte Auktionsergebnisse von ähnlichen Objekten im Internet suchen. Aber das Ding ist sehr speziell, da wäre es besser, wenn du einen Fachmann fragst, gerade, wenn du was über Alter und Herkunft wissen willst. Denn wie ich vermute, hast du das Teil nicht gekauft.«
»Das gibt meine Gemeindekasse nicht her. Es ist ein Fundstück. Ich würde es gerne dem Eigentümer zurückgeben.«
»Ihr Katholiken seid solche Samariter. Nimm es als Spende für deine Kirche und steck es ein.«
»Das kann nur ein Mann ohne Religion und Werte sagen.«
»Werte habe ich schon, nur andere als dein oberster Dienstherr.«
»Ich bringe dich schon noch so weit, dass du in die Kirche gehst.«
»Verschon mich mit deinem Missionarsdrang. Ich steh nicht auf solche Partys, wo Leute dauernd knien, als müssten sie den Boden wischen, und Lieder aus dem Mittelalter singen.«
»Für dich würde ich sogar einen Song von Ten Years After spielen, versprochen.«
»Um mich zu Kreuze kriechen zu sehen, musst du dir schon wesentlich mehr einfallen lassen. Aber ich habe einen Tipp für dich: Fahr nach Passau, dort gibt es mehrere Trödlerläden, die dir vielleicht mit deinem Rosenkranz weiterhelfen können. Und als Beweis dafür, dass auch Atheisten über Nächstenliebe verfügen, leihe ich dir mein Auto.«
Baltasar suchte sich einen Parkplatz in der Tiefgarage am Römerplatz. Reisegruppen von den Ausflugsschiffen zwängten sich durch die Altstadtgassen und nahmen Kurs auf den Dom. Er ging zur Ostspitze, zu der Stelle, wo Donau, Inn und Ilz zusammenliefen, was Passau den Beinamen
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