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Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald

Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald

Titel: Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Schreiner
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Richtung Deggendorf, bis sie nach Lalling kamen, das bis ins 19. Jahrhundert zum Kloster Niederaltaich gehört hatte und nun ganz auf den Tourismus setzte. Während der Fahrt überkam Baltasar das Gefühl, verfolgt zu werden. Wiederholt sah er in den Rückspiegel, entdeckte aber nichts. Wahrscheinlich bildete er sich das nur ein.
    Als besondere Attraktion bot die Gemeinde den »ersten Feng-Shui-Kurpark Deutschlands«, der angelegt war wie viele andere Kurparks auch: viel Wasser, viel Grün, dazwischen Gehwege. Die dabei angeblich erzeugten magischen Energieflüsse waren weder zu sehen noch zu spüren. Sie elektrisierten allein die Fremdenverkehrsmanager und hatten mit Niederbayern ungefähr so viel zu tun wie Eingeborenenhütten aus Papua-Neuguinea. Rossmüller dirigierte Baltasar auf eine Nebenstraße außerhalb des Ortes, wo sie einen Parkplatz fanden und zu Fuß weitergingen. Ziel war eine Gruppe von mehr als einem Dutzend Totenbrettern, die sich den Weg entlang aufreihten.
    »Die sind typisch für den Bayerischen Wald. Besonders die Inschriften sind bemerkenswert.« Der Heimatpfleger deutete auf eines der Bretter. »Geboren 1905, gestorben 1995. Die Bretter sind also nicht sonderlich alt, das zeigt sich auch an dem guten Erhaltungszustand und der frischen Farbe der Inschrift.«
    »Geh nicht vorbei, wozu die große Eile«, las Baltasar vor. »Bleib stehn und denke eine Weile an mich, an dich und all deine Lieben. Wo sind sie denn geblieben? Du gehst dahin, o Wanderer, nach dir kommt schon ein anderer.«
    »Solche Sinnsprüche finden sich auf vielen der neueren Totenbretter, mehr oder weniger gut gereimt. Hier konnten sich Hobbykünstler frei entfalten. Das unterscheidet sie auch von Grabsteinen, deren Gravur meist nüchterner ausfällt.« Er ging zu einem anderen Brett und zitierte: »Der Vater in die Sense trat, das hat ihm den Tod herbeigebracht, ein Vierteljahr musste er schwer leiden, bis er konnt verscheiden.«
    »Dann liegen die dazugehörigen Verstorbenen also auf dem Friedhof. Sie wissen, mich interessiert vor allem, ob die Erinnerungsstätten bei uns am Ackerrand zugleich als Friedhof dienten. Vorsicht!«
    Baltasar zog den Heimatpfleger an den Wegrand, als ein dunkler Kombi an ihnen vorbeirauschte… »Heute sind wieder die Raser unterwegs.«
    Rossmüller schüttelte den Kopf. Er holte einen Aktenordner aus seiner Umhängetasche. »Ich hab Fotos mitgebracht von anderen Orten mit Totenbrettern, die zeig ich Ihnen später. Der Ursprung dieser Sitte ist nicht klar, vermutlich gab es in Bayern bereits im 8. Jahrhundert Vorläufer, damals unter dem Namen Rebretter bekannt, nach dem Begriff für Leichen. Diese Bretter wurden bei der Bestattung dem Toten beigelegt, ob als Grabbeigabe oder zur Abwehr böser Geister, ist nicht überliefert.«
    »Wurden sie nicht aufgestellt?«
    »Das kam erst später. Bei den christlichen Beerdigungsritualen nähte man die Leiche in ein Leintuch und ließ sie über ein Brett in die Grube rutschen. Das Holz war ein reines Arbeitsmittel, wenn Sie so wollen. Oft legten die Angehörigen in ländlichen Gebieten den Verstorbenen zum Aufbahren auf ein Brett, das zwischen zwei Stühlen lag. Die Hinterbliebenen hielten eine Art Totenwache, beteten einen Rosenkranz. Am nächsten Tag wurde der Dahingeschiedene eingewickelt und auf der Planke zum Friedhof getragen. Die Hölzer waren anfangs schmucklos, erst nach und nach schnitzte man Kreuze und die Lebensdaten des Verstorbenen ein. Die ganzen Verzierungen und Sprüche sind relativ jung, das heißt, sie entstanden etwa seit Mitte des 19. Jahrhunderts.«
    »Was machten die Angehörigen mit den Brettern?«
    »Die wurden nach wie vor ins Grab mitgegeben, verbrannt oder für die nächste Beerdigung aufgehoben.«
    »Warum hat sich der Brauch nicht auch in anderen Gegenden verbreitet?«
    »In einigen Regionen, etwa im Chiemgau, finden sich vereinzelte Beispiele. Aber richtig durchgesetzt in der Bevölkerung hat es sich nur im Bayerischen Wald. Sie müssen bedenken, Hochwürden, ab dem 17. Jahrhundert kam die Sargbestattung auf, das änderte die Gewohnheiten. Die Totenbretter wandelten sich zum Erinnerungsmal.«
    »Und warum sind sie so häufig entlang der Straßen zu finden wie bei uns?« Baltasar betrachtete die Beispiele, die der Heimatpfleger ihm in seinem Fotoalbum zeigte.
    »Nachdem die Totenbretter ihre ursprüngliche Funktion verloren hatten, nutzten sie die Einheimischen anderweitig und stellten sie auf, wie sie es von den Marterl kannten,

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