Stout, Maria
festgestellt, dass acht soziopathische Symptome bzw. ihr Fehlen
signifikant vererblich sind. Es sind, in absteigendem Rang der theoretischen
Erblichkeit: "hält sich nicht an gesellschaftliche Normen", "aggressiv",
"risikofreudig", "impulsiv", "missachtet finanzielle
Verpflichtungen", "unbeständige Arbeitsergebnisse", "niemals
monogam" und "fehlendes Reuegefühl". Wieder andere Studien 36 haben ergeben, dass Soziopathen "wenig kompromissbereit" sind und
mangelnde "Sorgfalt" und "Risikovermeidung" aufweisen. Alle
diese Persönlichkeitsmerkmale haben eine genetische Komponente.
Das "Texas
Adoption Project", 37 das inzwischen seit mehr als dreißig
Jahren läuft, ist eine hoch angesehene Langzeitstudie an mehr als fünfhundert
adoptierten Kindern. Die Studie untersucht den Erwerb von Intelligenz und
verschiedenen Persönlichkeitsmerkmalen, darunter das Muster "psychopatische
Deviation", indem sie adoptierte und mittlerweile erwachsene Kinder sowohl
mit ihren leiblichen als auch den Adoptiveltern vergleicht. Das "Texas
Adoption Project" hat ergeben, dass Individuen in Hinsicht auf die
Pd-Skala ihren biologischen Müttern, denen sie nie begegnet sind, signifikant
mehr ähneln als den Adoptiveltern, die sie großgezogen haben. Aus diesen
Untersuchungen ergibt sich eine geschätzte Erblichkeit von 54 Prozent, und
interessanterweise ist dieser Wert für "psychopathische Deviation"
kongruent mit den Schätzungen - 35 bis 50 Prozent - von Studien, die die
Erblichkeit anderer, eher neutraler Persönlichkeitsmerkmale (Extraversion,
Empathie, etc.) untersucht haben.
Immer
wieder liefern Erblichkeitsstudien statistische Ergebnisse, die emotional
aufgeladene soziale und politische Implikationen haben - dass nämlich in der
Tat die Tendenz einer Person, bestimmte soziopathische Eigenschaften
aufzuweisen, zum Teil angeboren ist, wohl bis zu etwa 50 Prozent. Die Brisanz
dieser Forschungsergebnisse liegt auf der Hand - sie würden zum Beispiel
besagen, dass Doreen, Luke und Skip schon vor ihrer Geburt, ja, bereits zum
Zeitpunkt der Empfängnis, in gewissem Maße dazu prädestiniert gewesen wären,
hinterlistige, rücksichtslose, treulose und erbarmungslose Menschen zu werden.
Wenn wir Aussagen über die Erblichkeit einer sportlichen Begabung oder Introvertiertheit
oder gar bipolarer Störungen oder Schizophrenie machen, wirkt das nicht so
schockierend. Aber solcherlei Feststellungen über antisoziale Tendenzen
klingen ungeheuerlich, obwohl sie auf denselben statistischen Methoden beruhen.
Es ist
wichtig, darauf hinzuweisen, dass solche extrem komplexen Charakteristika
wahrscheinlich nicht durch ein einzelnes Gen bestimmt werden, sondern mit an
Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit oligogenisch sind, also durch das
Zusammenwirken mehrerer Gene verursacht werden. Und die genaue Funktion dieser
Gene bei der Formung von Hirnfunktionen und späteren Ausprägung von
Verhaltensweisen ist bis jetzt nicht bekannt. Der Weg von der DNS eines
Menschen zu einem vielschichtigen Verhaltensmuster, wie zum Beispiel "missachtet
finanzielle Verpflichtungen", ist eine lange, verschlungene Reise mit
biochemischen, neurologischen und psychologischen Aspekten, die entsprechend
schwierig zu erforschen sind.
Aber die
Forschung hat uns bereits einige bedeutsame Hinweise geliefert. Ein wichtiges
Bindeglied im Segment des neurobiologisch gesteuerten Verhaltens in der Kette
könnte eine abnorme Funktion der Großhirnrinde bei Soziopathen sein. Einige der
interessantesten Erkenntnisse über die Funktion der Großhirnrinde bei
Soziopathen sind durch Studien 39 gewonnen worden, die untersucht
haben, wie Sprache von Menschen verarbeitet wird. Es hat sich herausgestellt,
dass normale Menschen sogar auf der Ebene der elektrischen Aktivität im Gehirn
auf emotionale Wörter (wie zum Beispiel Liebe, Hass, gemütlich, Schmerz,
glücklich, Mutter) schneller und intensiver reagieren
als auf relativ neutrale Wörter (Tisch, Stuhl, fünfzehn, später, etc.).
Wenn mir die Aufgabe gestellt wird, zwischen sinnvollen und sinnlosen Wörtern
zu unterscheiden, werde ich Terror im Gegensatz
zu Lister sehr viel schneller, also in viel
kürzerer Zeit, erkennen, als ich mich zwischen Fenster und Endock entscheiden
kann. Meine schnellere Reaktion auf das emotionale Wort Terror kann
gemessen werden, indem eine winzige elektrische Reaktion in meiner
Großhirnrinde aufgezeichnet wird, die man als "evoziertes Potenzial"
bezeichnet. Solche Studien haben gezeigt, dass die Gehirne
Weitere Kostenlose Bücher