Stout, Maria
könne, nur weil er eine Schülerin
umarmt habe oder so."
"Und
was meinen Sie?"
"Ich
weiß nicht. Wahrscheinlich werde ich dafür, dass ich das sage, in der Hölle
schmoren oder so, aber ich weiß es wirklich nicht - wahrscheinlich, weil ich so
viel von seinem Verhalten mitbekommen habe, das man sehr leicht falsch
auslegen könnte, wissen Sie? Ich meine, wenn Sie der Schuldirektor sind, sich
an eine bildhübsche Sechzehnjährige von hinten heranmachen und sie an den
Hüften packen, können Sie wohl erwarten, dass die Eltern ziemlich sauer werden,
wenn sie davon erfahren. Ich weiß nicht, warum er das nicht begreift."
Dieses Mal
versuchte Hannah nicht, eine Bestätigung ihrer Meinung von mir zu hören. Sie
starrte wieder die Bücherregale an und schwieg.
Schließlich
sprudelte es in einem kurzen, gehetzten Wortschwall aus ihr hervor: "Und
wissen Sie noch etwas? Ich habe das noch nie jemandem erzählt, und ich hoffe,
dass Sie nicht schlecht von mir denken, weil ich es Ihnen sage; aber einmal kam
dieses Mädchen, das ich kenne - nicht sehr gut, aber sie war auch an der Schule
- in der Bücherei zu mir, setzte sich neben mich und fing an, etwas zu schreiben.
Sie lächelte und schrieb: 'Weißt du, was dein Vater mir über Central High
gesagt hat?' und schob mir den Zettel zu. Ich schrieb, 'Keine Ahnung. Was denn?',
und daraufhin schrieb sie: 'Er hat zu mir gesagt, dass Central High wie ein
Sex-Büfett* ist.' Sex-Büfett hatte sie in große Anführungszeichen gesetzt. Ich
war so wütend, dass ich beinahe geheult hätte. Ich lief hinaus, und dann wusste
ich nicht, was ich mit dem Zettel machen sollte; also habe ich ihn
zusammengeknüllt und in die Tasche gesteckt, und als ich nach Hause gekommen
bin, habe ich Streichhölzer geholt und ihn in der Spüle verbrannt."
Der
Wortschwall war vorüber, und sie blickte hinunter auf den rostfarbenen Teppich.
"Das
tut mir so Leid, Hannah. Sie haben so etwas wirklich nicht verdient. Es muss
sehr peinlich für Sie gewesen sein und herzzerreißend. Aber warum haben Sie
befürchtet, ich würde schlecht von Ihnen denken, wenn Sie mir das erzählen?"
Mit einer
Stimme, die viel jünger klang als ihre 22 Jahre, antwortete sie: "Ich
hätte es geheim halten sollen. Es ist illoyal."
Hannah und
ich setzten unsere gemeinsamen Sitzungen fort. Am Anfang von vielen unserer
Treffen erzählte sie mir von merkwürdigen telefonischen Nachrichten, die ihre
Mutter zu Hause erhielt.
"Nach
der Nacht des Einbruchs konnten wir eigentlich keine Anrufe mehr beantworten.
Es riefen so viele sogenannte Reporter an und so viele Verrückte. Inzwischen
lässt Mama einfach den
*
Anmerkung des Übersetzers: In der englischen Ausgabe wird der Ausdruck "sexual Cafeteria" verwendet.
Eine "Cafeteria" ist im
amerikanischen Sprachgebrauch ein Restaurant oder eine Imbissstube mit
Selbstbedienung.
Anrufbeantworter
laufen, und wenn jemand anruft, mit dem sie sprechen will, nimmt sie den Hörer
ab. Es ist wohl in Ordnung so; die Nachrichten von den Verrückten löscht sie
einfach. Aber seit kurzem erhält sie diese seltsamen Nachrichten über Drogen
oder so. Sie regt sich furchtbar darüber auf. Sie sind völlig irre - ich meine,
noch irrer als die der anderen Verrückten."
"Hat
sie Ihnen vom Inhalt dieser Nachrichten erzählt?", fragte ich.
"Ja,
schon. Sie regt sich so auf; es ist ein bisschen schwierig, sich einen Reim
drauf zu machen, was sie am Telefon erzählen, aber hauptsächlich geht es wohl
darum, dass sie Papa beschuldigen, Drogen gestohlen zu haben oder so.
Lächerliches Zeug - aber es geht Mama wirklich an die Nieren. Sie hat gesagt,
dass sie irgendwelche 'Informationen' aus unserem Haus gefordert hätten, sonst
würden sie ihm wehtun. Ich glaube, sie haben immer wieder von 'Informationen'
geredet und dass sie ihm wehtun würden. Aber es ist nichts im Haus, und, also,
Papa ist ja nicht da. Er ist im Gefängnis."
"Hat
Ihre Mutter der Polizei von diesen Nachrichten erzählt?"
"Nein.
Sie befürchtet, dass sie Papa damit in Schwierigkeiten bringen könnte."
Für einen
Moment fiel mir keine passende Antwort auf diese letzte Bemerkung ein, und als
ich still war, ergänzte Hannah sich und sagte: "Ich weiß, ich weiß. Es ist
unlogisch."
Während
Hannahs erstem Jahr an der medizinischen Hochschule hatte ihre Mutter
vielleicht ein Dutzend dieser unverständlichen und beängstigenden Nachrichten
erhalten, und immer noch hatten weder die Mutter noch die Tochter der Polizei
davon berichtet.
Im
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