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Stout, Maria

Stout, Maria

Titel: Stout, Maria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Soziopath von nebenan
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"oder zumindest habe ich das
immer geglaubt - und deswegen erträgt er es nicht, wenn ich Fehler mache. Als
ich in der vierten Klasse war, hat ein Lehrer einmal eine Notiz an meine Eltern
geschickt, dass ich meine Hausaufgaben nicht machen würde. Danach hat Papa zwei
Wochen lang nicht mit mir gesprochen. Ich weiß, dass es zwei Wochen waren, weil
ich diesen kleinen Kalender hatte - ich habe ihn immer noch irgendwo -, auf dem
ich die Tage durchgestrichen habe, einen nach dem anderen. Es war, als würde
ich plötzlich nicht mehr existieren. Es war furchtbar. Oh, ich weiß noch ein
gutes Beispiel, noch nicht so lange her: Ich war schon an der High School - seiner High
School, wissen Sie? -, als ich diesen riesigen, hässlichen Fleck auf meiner
Wange bekam." Sie zeigte auf eine makellos glatte Stelle in ihrem hübschen
Gesicht. "Er hat drei Tage lang kein Wort mit mir gesprochen, mich nicht
mal angesehen. Er ist so perfektionistisch. Ich glaube, er will mit mir
angeben, und wenn etwas nicht in Ordnung ist, kann er das nicht. Manchmal mache
ich mir deswegen Vorwürfe, aber ich glaube, ich kann ihn verstehen, mehr oder
weniger."
    Hannah
beschrieb einen Zeitraum in ihrer Kindheit, als ihre Mutter schwer krank und
fast drei Wochen im Krankenhaus gewesen war. Hannah glaubte, dass ihre Mutter
sich eine Lungenentzündung zugezogen hatte, aber sie sagte: "Ich war zu
klein, ich kann mich kaum daran erinnern". Hannahs Tante hatte sie in dieser
Zeit gelegentlich mitgenommen, um ihre Mutter zu besuchen. Aber ihr Vater hatte
seine Frau kein einziges Mal besucht, als sie im Krankenhaus lag, und als sie
wieder nach Hause kam, war er verärgert und aufgebracht - er befürchtete, wie
Hannah es ausdrückte, dass seine blasse und geschwächte Frau "nicht
wieder so schön werden würde, wie sie es früher gewesen war".
    Über
Hannahs hübsche Mutter "gibt es nicht viel zu erzählen", erzählte sie
mir. "Sie ist lieb und sanft. Sie hat sich immer liebevoll um mich
gekümmert, vor allem, als ich noch klein war. Sie mag gern im Garten arbeiten
und engagiert sich für wohltätige Zwecke und so. Sie ist wirklich eine wunderbare
Dame. Oh, und sie war 'homecoming queen'* ihrer High School. Papa erzählt das
gerne.
     
    * Anmerkung des Übersetzers: "Homecoming"
ist ein jährlich wiederkehrendes traditionelles Fest, das von vielen
US-amerikanischen High Schools, Fachhochschulen und Universitäten begangen
wird, meist im späten September oder im Oktober. Dabei werden ehemalige Schüler
und Studenten festlich empfangen, meist im Rahmen einer zentralen Veranstaltung,
zum Beispiel einem Bankett oder Football-Spiel.
    Traditionell
werden Ehemalige, die sich besondere Verdienste um die Schule erworben haben,
von ihren Klassenkameraden zur Wahl für den "Homecoming Court"
vorgeschlagen. Nachdem die Kandidaten aufgestellt worden sind, werden der
"Homecoming King" und die "Homecoming Queen" von der
gesamten Schülerschaft durch geheime Abstimmung gewählt.
     
    Als ich
Hannah eindringlich nach der Reaktion ihrer Mutter auf das gleichgültige
Verhalten ihres Vaters fragte, antwortete sie: "Ich weiß nicht. Also, um
ehrlich zu sein, es gab Vorfälle, die mich an Mamas Stelle wirklich wütend
gemacht hätten; aber sie hat sich nie beklagt. Sie geht einfach so ihre eigenen
Wege. Wie gesagt, sie ist eine liebe, sanfte Dame - das würde Ihnen wohl jeder
sagen, der sie kennt - und ich glaube, dass ihr sanftes Wesen es mit sich
bringt, dass sie sich nie wirklich durchgesetzt hat. Jedenfalls geht sie jeder
Konfrontation mit Papa aus dem Weg. Ich glaube, ich würde tot umfallen, wenn
sie jemals mit ihm streiten würde. Sie ist die perfekte Dame. Ihre einzige
kleine Schwäche, wenn man das überhaupt so nennen will, ist ihre Eitelkeit. Sie
ist wunderschön, und ich glaube, sie weiß das, und sie verbringt viel Zeit
damit, ihr Haar und ihren Körper zu pflegen und so. Ich glaube, das sieht sie
als ihre einzige Stärke auf der Welt an, wenn Sie verstehen, was ich meine."
    Hannah sah
mich fragend an, und ich nickte, um zu zeigen, dass ich verstand, was sie
meinte.
    "Und
das muss man ihm lassen - was das angeht, ist Papa sehr nett zu ihr. Er schickt
ihr Blumen, wenn er nicht da ist, und immer sagt er ihr, wie schön sie ist. Ich
glaube, so etwas bedeutet ihr sehr viel."
    "Er
schickt ihr Blumen, wenn er nicht da ist?", fragte ich sie. "Wo ist
er dann?"
    Als ich
diese Frage stellte - "Wo ist er dann?" -, wurde Hannahs Haltung
etwas unsicher. Sie rutschte auf ihrem Stuhl

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