Sträfliche Neugier
erlitten
hätte. Auf ihre Frage, wo Paul denn jetzt sei und wie es ihm ginge, rückte die
Beamtin endlich mit der ganzen Wahrheit heraus. Julia erinnerte sich noch genau
an deren Worte:
»Es tut mir unendlich leid, liebe Frau Millert, dass ich
Ihnen diese traurige Botschaft überbringen muss, aber Ihr Mann konnte trotz
intensiver Wiederbelebungsversuche nicht mehr gerettet werden. Vermutlich starb
er aufgrund der heutigen Hitze an einem Herzschlag.«
Alles, was in den nächsten Wochen und Monaten auf Julia
zukam, nahm sie wie durch einen Schleier wahr. Der Schock saß tief, und es
dauerte lange Zeit, bis sie wieder zu einem halbwegs normalen Leben zurückfand.
Sie empfand an nichts mehr Freude, zog sich zurück und übte ihren Beruf nur
noch lustlos aus, was auch der Grund dafür war, sich nach einer Stelle in einem
Privathaushalt umzusehen.
Gedankenverloren vernahm Julia auf einmal Ludwigs Stimme:
»Was hast du? Du siehst so nachdenklich aus!«
»Ach, nichts Besonderes. Als ich vorhin zu dir hin schaute,
musste ich an meinen verstorbenen Mann denken. Ich sah ihn wieder direkt vor
mir und war einen Augenblick wie weggetreten.«
Und dann erzählte sie von dem
jähen Ende ihrer nur ganze zwei Monate dauernden glücklichen Ehe.
Inzwischen war es spät geworden. Als sie nebeneinander den
kleinen Pfad zu ihrem Appartementhaus gingen, legte Ludwig Herzog seinen Arm um
die Schulter seiner jungen Haushälterin.
»Wie gefällt es dir eigentlich so bei uns?«, erkundigte er
sich zaghaft.
»O, sehr gut, das müsstest du doch längst bemerkt haben und
deine beiden Kinder mag ich auch sehr.«
»Nur die Kinder, oder auch mich ein wenig?« Diese Frage
Ludwigs klang etwas kläglich, als müsse er befürchten, eine negative Antwort zu
bekommen.
»Also, ich finde auch dich unheimlich nett, ehrlich«. Julia
blieb stehen und schaute zu ihm auf. Ludwig war ein großer und gut aussehender
Mann. Er war zwar siebzehn Jahre älter als sie, aber wirkte noch immer
jugendlich, was Julia nicht zuletzt auf seine gesundheitsbewusste Ernährung und
sein tägliches Jogging zurückführte. Und Ludwig, der einen guten Kopf größer
war als Julia, fiel erst jetzt die mit bunten und glänzenden Schmucksteinchen
besetzte Spange in ihrem Haar auf. Komisch, dachte er, dass mir dieser
Modeschmuck noch nie aufgefallen ist. Er beugte seinen Kopf zu Julia hinunter,
bis sein Mund fast ihre zierlichen Ohren berührte.
»Eine wunderschöne Haarspange hast du da, du siehst damit
wirklich reizend aus.«
»Ach, weißt du, die schenkte mir mein Zwillingsbruder Robby
zu unserem fünfzehnten Geburtstag. Seitdem trage ich sie nur bei besonderen
Anlässen, wie zum Beispiel jetzt. Ich liebe dieses Schmuckstück sehr. Zwar
opferte Robby dafür sein Taschengeld, aber einen materiellen Wert hat dieser
kleine Modeschmuck sicher nicht.«
»Es kommt gar nicht auf den materiellen Wert an! Schon
meine Mutter meinte, dass der einfachste Rheinkiesel zu einem Brillanten
erhoben, gewissermaßen geadelt würde, wenn er von einer wirklich
schönen, aparten und klugen Frau getragen wird. Andererseits könne eine Frau,
die keines dieser Attribute besitzt, sich von oben bis unten mit Gold und
Juwelen behängen, und trotzdem würde sie dadurch nicht schöner oder
attraktiver.«
»Das ist ja ein tolles Kompliment, das du mir machst. Es
ist schon lange her, dass mir jemand so was Nettes sagte.« Julias Stimme klang
ein bisschen verlegen.
»Das soll kein Kompliment sein, Julia. Das ist eine
Liebeserklärung an eine bezaubernde, wunderschöne Frau. Ich liebe dich, Julia,
vom ersten Moment an, als du in mein Leben tratst. Und ich möchte, dass du
meine Frau wirst.«
Nun waren sie heraus, die Worte, die er schon lange mit
sich herumtrug und auszusprechen bislang scheute. Wie sehr hatte er Julia vom
ersten Tag an bewundert! Zuerst ihre schlanke Figur und ihr glänzendes blondes
Haar, die Anmut ihrer Bewegungen, ihr immer freundliches Wesen und ihren
Intellekt. Er hatte sich nicht satt sehen können, wenn er sie heimlich bei der
Hausarbeit beobachtete. Wie patent und umsichtig sie ihre Arbeit verrichtete! Und
so eine Frau war nicht verheiratet? Das war kaum zu glauben.
Julia fühlte, wie ihr Herz bis zum Hals hinauf schlug. Noch
immer standen sie beisammen, als Ludwig endlich seine Arme um sie legte und sie
fest an sich zog. Sie schloss die Augen, als er sie stürmisch und
leidenschaftlich küsste. Wie sehr hatte sie sich nach seinem Kuss gesehnt, denn
auch sie hatte sich
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