Sträfliche Neugier
Markus’ Adoptivvater
Werner Mayrhöfer entwickelte Therapie zur Entgiftung des Körpers bei schweren
Nierenschäden zeigte bereits nach drei Wochen erste Erfolge. Die roten Flecken
auf ihren Gesichtern hatten sich bis auf wenige Reste zurückgebildet und beide
fühlten sich merklich wohler. Sie entwickelten neuen Lebensmut, nicht zuletzt
auch durch die sauerstoffreiche Luft an den Südhängen des Bayerischen Waldes.
»War das nicht eine geniale Idee unserer Frau Millert, uns hier unterzubringen?«, sagte Max. »Ich fühle mich endlich wieder als
normaler Mensch und sauwohl. Die Therapien des Doktor Mayrhöfer waren
tatsächlich erfolgreich.«
»Das sieht man dir auch an«, bestätigte Claudia. »Bestimmt
kannst du bald wieder deinen früheren Beruf ausüben.«
»Das würde ich gern, nur bin ich da schon viel zu lange
raus. Und an eine Meisterprüfung darf ich schon gar nicht denken. Aber du solltest
unbedingtweiter studieren, denn nun kannst du dich wieder überall sehen
lassen.«
Nach Abschluss der insgesamt sechswöchigen Kur kam der Tag
der Abreise. Julia und Ludwig waren wieder angereist, um Max und Claudia
abzuholen. Markus und seine Frau beobachtetem gerade, wie die Koffer im Auto
verstaut wurden, als die hochschwangere Susanne plötzlich über Schmerzen im
Unterleib klagte.
»Du liebe Zeit«, sagte Markus, »unser Kind scheint etwas
früher als geplant anzukommen. Bald werden wohl die Wehen einsetzen. Ich muss
Susanne rasch in die Klinik bringen, von Geburtshilfe verstehe ich nämlich
nicht viel, und im St.-Markus-Krankenhaus ist sie zudem besser aufgehoben als
bei uns daheim. Bitte, reist noch nicht ab sondern bleibt wenigstens so lange,
bis ich wieder zurück bin!«
Nach zwei Stunden war Markus wieder bei ihnen. »Sie hat es
gut dort, meine Kollegen denken, dass es heute Nacht schon losgeht. Tja, wir
hatten damit noch nicht gerechnet, erst in sieben bis acht Wochen sollte es so
weit sein. Für meine Praxis bedeutet das natürlich eine Katastrophe, denn ich
stehe nun ganz ohne Arzthelferin da, die Neue kommt erst in zwei Monaten.«
Claudia hatte gehört, was Markus sagte, und überraschte ihn
mit einem spontanen Vorschlag: »Herr Doktor Mayrhöfer, kann vielleicht ich Ihnen aushelfen? Zu Beginn meines Studiums war ich einige Zeit in einer
internistischen Arztpraxis als Aushilfe tätig. Die Arbeit dort hatte ich sehr
gern gemacht und ich glaube nicht, dass ich alles inzwischen verlernt habe. Nur
Spritzen geben und Blut abnehmen, das kann und darf ich nicht. Aber mit den
meisten Verwaltungs- und Laborarbeiten bin ich noch ganz gut vertraut.«
»Das ist ein interessanter Vorschlag, liebe Claudia, ich
werde mir das reiflich überlegen. Hab jedenfalls vielen Dank für dein
freundliches Anerbieten.«
In der gleichen Nacht wurde das Kind geboren, sieben Wochen
zu früh und 2.300 Gramm schwer, es war ein Junge. Markus saß am Bett seiner
Frau, die das Neugeborene glücklich in den Armen hielt.
»Hast du dir schon einen Namen ausgedacht?«, fragte Markus.
»Ach, das hat doch noch Zeit«, meinte Susanne.
»Wie gefällt dir Robert? Das war doch mal mein Name.«
»Ob du es glaubst oder nicht«, Susanne strahlte über das
ganze Gesicht, »daran hatte ich auch schon gedacht.«
Susanne lag in einem Einzelzimmer im ersten Stock des
St.-Markus-Krankenhauses. Den Weg zu ihr hatte Markus gleich gefunden. Die
Treppen und Gänge in dem alten Gebäude waren ihm noch bestens vertraut. Als er
an der kleinen Cafetería im Erdgeschoss vorbeiging, erinnerte er sich wieder an
das Gespräch, das die Mayrhöfers vor vielen Jahren hier mit ihm geführt hatten.
Was wäre wohl aus ihm geworden, wenn ihn diese gutherzigen Menschen nicht
adoptiert hätten? Er blickte auf die hohen Fenster in dem langen Gang, auf die
breiten alten Türen in den dicken Mauern, die spiegelglatten Bodenfliesen. Wie
oft war er damals über diese Gänge zunächst in einem Rollstuhl gefahren worden,
dann auf Krücken gelaufen, bis er sich eines Tages wieder ohne jede Gehhilfe
fortbewegen konnte. Und er erinnerte sich genau an das Zimmer, in dem er aus
seinem langen Koma aufgewacht war; es befand sich unmittelbar neben dem Raum,
in dem jetzt seine Susanne mit dem Neugeborenen lag.
Markus hatte zum Glück kurzfristig eine ärztliche
Vertretung für seine Praxis gefunden und konnte sich einige Tage frei nehmen.
Aber eine ebensolchen Ersatz für seine Frau zu finden, das würde sich recht
schwierig gestalten. Sicher, ein bis zwei Tage
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