Sträflingskarneval
Verhältnissen wäre diese Strafe für Aidan kein Zuckerschlecken gewesen. Viele Sträflinge sind an Krankheiten oder Verletzungen gestorben. Für die Leute waren sie Abtrünnige, Verräter, der letzte Abschaum … und genauso wurden sie behandelt. Ob du Aidan nun magst oder nicht, er könnte schneller unter der Erde liegen, als du denkst. Oder wieder in Llŷr landen, was fast aufs Gleiche rauskommt.“
Ryan runzelte die Stirn und unterdrückte den Impuls, zu sagen, dass es ihm völlig egal wäre, ob Aidan dabei draufging oder nicht. Aber das merkwürdige Gefühl in seiner Magengegend kehrte schlagartig zurück, und ihm wurde bewusst, dass es ihm eben nicht egal war.
„Lassen wir außer Acht, dass wir hier über McGrath reden“, sagte er schließlich und versuchte die ganze Sache von einer nüchternen Seite zu betrachten. „Der Orden hat ein veraltetes Rechtssystem wieder aufleben lassen, wendet es in allen Prozessen an und legt die Fragen bewusst so aus, dass man gar nicht anders kann. als sich schuldig zu bekennen. Und das alles nur, weil Mr. Hinthrone und die anderen Ordensmitglieder Angst haben?“ Er schüttelte verständnislos den Kopf. „Hey, es gibt doch nichts mehr, was sie fürchten müssen, oder etwa doch? Das finstere Mittelalter haben wir schon lange hinter uns.“
Die beiden Frauen nickten zustimmend. „Das ist die eine Sache, die Zweite bist du!“, bedeutete Kendra ernst.
„Ich?“ Ryan riss die Augen auf.
„Ja … du … und all die anderen jungen Leute. Dein Name und deine Herkunft sind gefährlich … für Hinthrone. Aber damit will ich nicht behaupten, Bartholemeus sei ein schlechter Mensch …“, Kendra hob zur Unterstreichung ihrer Worte einen Finger. „Er war ein guter Freund von deinem Urgroßvater und deinem Vater, aber er will einfach allen Ärger im Keim ersticken.“
„Hat uns der Orden deshalb die letzten Wochen versucht abzuschotten?“, fragte Kimberly und weckte damit Ryans Neugier. Das hätte er beinahe vergessen.
„Unter anderem“, seufzte Kendra und senkte den Blick. „Bartholemeus Hinthrone befürchtet, dass dein Name und deine Herkunft … auch wenn es sich wirklich unglaubwürdig anhört … ich weiß, dass es nie passieren wird … aber er denkt, du, Ryan, könntest ihn eines Tages als Großmeister ersetzen oder dich sogar mit den Formori einigen. Das wäre das Ende unseres Druidenordens.“
„Was ist das denn für ein Unsinn!“ Ryan war nicht überrascht, sondern erneut voller Zorn. Diesmal war er jedoch nicht auf die Familie McGrath gerichtet, sondern auf den Großmeister persönlich. „Ich bin ab dem ersten September wieder Schüler und kein zweiter bescheuerter Anführer, der sich mit den Feinden verbündet. Außerdem …“, dabei verengten sich seine inzwischen funkelnden, hellblauen Augen zu gefährlichen Schlitzen, „… war ich ja wohl derjenige, der fast umgekommen wäre. Ich habe von dem ganzen Mist doch eh erst erfahren, als ich sechzehn wurde, obwohl ich laut dem Testament meiner Eltern schon viel früher in den Orden hätte kommen sollen. Ich habe mir meine Verwandtschaft nicht ausgesucht, oder dass mein Urgroßvater der Großmeister war und er aus der Blutlinie der Ältesten abstammt. Was denken diese Schwachmaten nur? Dass ich demnächst Anhänger um mich schare, um die Macht des Ordens an mich zu reißen?“
Als Kimberly und Kendra betreten zur Seite schauten und nervös von einem Fuß auf den anderen traten, wusste Ryan, dass er voll ins Schwarze getroffen hatte.
Das war unmöglich. Das konnte unmöglich ihr Ernst sein. Einen größeren Stuss konnte es gar nicht geben! Sollte es aber tatsächlich die unausgesprochene Wahrheit sein? Im nächsten Moment wirbelten seine Gedanken wild durcheinander, und auf eine gewisse, verquere Weise ergab dieser Schwachsinn durchaus Sinn. Bei dem Gedanken daran krampften sich seine Eingeweide zu einem unangenehmen Knäuel zusammen, und ihm brach der Schweiß aus.
Natürlich, er war bei den Ordensmitgliedern hoch angesehen, und ja sicher – er besaß das Recht, Anspruch auf das Amt des Großmeisters zu erheben. Aber jeder, der ihn kannte, wusste auch, dass er dieses Bestreben keinesfalls hegte. Er interessierte sich für Archäologie und die keltischen Legenden, vor allem die des Druida Lovo . Er wollte seinen Weg in diese Richtung beschreiten, und nicht als Anführer fungieren. Dafür war er nicht der Typ. Aber das wusste anscheinend kaum jemand, die anderen hatten einfach nur nachgedacht und waren
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