Sträflingskarneval
der Angriff und …“
„Moment!“, unterbrach Ryan ihren Redefluss, denn das ging ihm einen Schritt zu schnell. „Rossalyn, Sie müssen sich bei mir nicht entschuldigen. Ich bin Ihnen zum Dank verpflichtet …“
„Sage einfach Du zu mir“, warf sie ein und mit einem Nicken von Ryan war das Du akzeptiert, welches sie auch Kimberly anbot. Für Förmlichkeiten gab es heute keinen Grund.
„Okay, Rossalyn“, fuhr er fort und umklammerte mit plötzlich zitternden Händen sein Glas. „Du musst dich doch nicht für Lawren und Aidan entschuldigen“, sagte er leicht nervös. „Wenn, dann ist es ihre Aufgabe, auch wenn ich nicht weiß, ob ich ihre Entschuldigung annehmen würde. Momentan könnte ich es nicht.“ Er seufzte. „Aber ich dachte eigentlich, ihr wolltet uns etwas über dieses blöde Gesetz erzählen, oder irre ich mich?“
„Du irrst dich nicht“, antwortete Rossalyn und erinnerte sich an den ursprünglichen Anlass. Nur wo fing sie am Besten an?
„Wurde Lawren zu Lebenslänglich verurteilt?“, fragte Kimberly interessiert und sah zuerst Kendra und dann Rossalyn bestätigend nicken. Das war genau das Urteil, mit dem sie gerechnet hatten.
Schließlich seufzte Rossalyn, lehnte sich im Sessel zurück und begann zu erzählen. „Hört mir gut zu. Das alte Gesetz wurde im 12. Jahrhundert verfasst. Zuvor herrschte großes Chaos im Orden und in ganz Irland. Kriege und Stammesfehden standen auf der Tagesordnung. Damals dachten die Stammesältesten der Druida Lovo , die beste Lösung, um den Aufständen innerhalb des Ordens Einhalt zu gebieten, wären Gesetze, die jeden schützen würden. Wer sich nicht daran hielt, wurde ohne Verhandlung weggesperrt oder gleich enthauptet. Natürlich haben sich die Ältesten verschätzt, was selbstredend niemand zugeben wollte. Zu jener Zeit starben mehr Menschen, als in all den vielen Kriegen zuvor. Nur die Hexenverfolgung der katholischen Kirche hat mehr Opfer gefordert. Aber hier geht es nicht um Hexenverfolgung. Im Jahr 1902 wurde das Gesetz schließlich abgeschafft; und der Orden hat sich der Moderne angepasst. Dein Urgroßvater, Ryan, gehörte zu denen, die sich ganz der Neuzeit verschrieben hatten. Es ist traurig, dass er schon so früh von uns gehen musste.“ Rossalyn senkte unglücklich den Blick. „Wie ihr nun wisst, wurde von unserem neuen Großmeister das neue Gesetz jetzt außer Kraft gesetzt, und damit gelten ab sofort wieder die alten Regeln. Soviel zur offiziellen Geschichte.“
„Und was ist daran so besonders? Mal abgesehen von der Sträflingsarbeit?“ Ryan platzte schier vor Neugier, wieso musste es heute jeder so verdammt spannend machen?
„Nun, es ist so“, sprach Rossalyn weiter. „Im Gesetz wimmelt es überall von Lücken. Bei genauer Auslegung ist es dem Druidenrat daher jederzeit möglich einen unangenehmen oder auch angenehmen Paragraphen zu umgehen, es kommt in diesem Fall einfach auf die Sache an sich an. Unser Glück ist, dass der Rat viele der Lücken bisher noch nicht entdeckt hat, ihm ist höchstens ein Zehntel davon bekannt. Diese werden momentan großzügig bei den Prozessen angewendet. Zusammengefasst bedeutet das: Der Druidenrat hat das alleinige Sagen und Handlungsfreiheit in allem, was er tut. Die Mitglieder werden einfach übergangen und müssen brav ihren Mund halten, und wenn sie nicht gehorchen, dann kannst du dir sicherlich denken, was passiert. Der Rat unter dem Einfluss des Großmeisters setzt alles daran, dass jeder nach seiner Pfeife tanzt. Aufrührer oder jene, die anders denken, sind unerwünscht.“ Sie machte eine kurze Pause und beobachtete die ungläubigen Mienen der jungen Leute. Mit dieser Offenbarung schienen sie nicht gerechnet zu haben – und so vieles lag noch im Dunkeln. „Das heißt, im schlimmsten Fall könnte einer mit dem Finger auf einen anderen zeigen und am Ende wäre er wegen einer Nichtigkeit schuldig. Tja, und in deinem Fall, Ryan, ist die Sache äußerst prekär.“
„Das hat doch nichts mit dieser absurden Machtübernahme-Theorie zu tun, oder doch?“ Ryan verzog die Mundwinkel zu einem spöttischen Lächeln, obgleich er sich nichts sehnlicher wünschte, als dass er Unrecht hätte. Aber seine Hoffnung schwand dahin, als er die nächsten Worte vernahm.
„In gewisser Weise schon“, meinte Rossalyn und schaute ihm tief in die aufgerissenen Augen. „Wenn du es eines Tages wolltest … genügend Anhänger stünden sicherlich auf deiner Seite … dann könntest du als der weitaus
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