Sträflingskarneval
erhalten gebliebenen Schriftrollen aus der Bibliothek von Alexandria. Und irgendwo ganz dort hinten befindet sich eure Originalgesetzesabschrift des Ordens. Die Liste ist lang und ich –"
Ein ohrenbetäubender Knall ließ Raoul abrupt innehalten und alle fünf wandten sich wie in Zeitlupe dem Eingang der Höhle zu. Ungläubig stierten sie in das Gesicht des Mannes, der ihnen allen wohl bekannt war: Bartholemeus Hinthrone. Hinter ihm tauchte der unverwechselbare Muskelberg Peter Smith auf, der von vier bewaffneten Männern flankiert wurde.
Vor Angst erstarrt, beobachtete die Gruppe um Raoul Jaramago die bewaffneten Neuankömmlinge. Hinthrone bedrohte sie mit einer Halbautomatik und grinste siegessicher. Sein Triumph spiegelte sich in seinen glänzenden Augen wider.
„Raoul.“ Bartholemeus lachte teuflisch und machte einige Schritte nach vorne, achtete dabei aber genau darauf, wohin er trat, und fixierte ihn wachsam. Die jungen Ordensmitglieder ignorierte er geflissentlich. „So trifft man sich endlich wieder. Ich freue mich, dich zu sehen.“
„Du wirst mir verzeihen, wenn die Wiedersehensfreude sehr einseitig ist“, stichelte Raoul und inspizierte aus den Augenwinkeln seine nähere Umgebung. Gillean und seine Freunde mussten augenblicklich aus der Schusslinie verschwinden. Sein Herz begann zu rasen und pumpte Adrenalin durch die Adern, während er unauffällig nach hinten zum Hosenbund griff, wo er seine Waffe versteckte. Dabei spannte sich sein Körper an, bereit für alles, was kommen würde. Im selben Moment traf sein Blick den von Bartholemeus Hinthrone, dessen Augen vor irrer Gier fiebrig und unberechenbar aufblitzten, und erkannte sofort die darin drohende Gefahr. Dieser Mann war bereit, jeden in der Höhle zu töten. Doch wie hatte er es überhaupt geschafft, an den Spionen und den Mönchswachen vorbeizukommen? Sie waren alle sehr gut ausgebildete Kämpfer, ob mit einer Waffe in der Hand oder bloßen Fäusten, stets trafen sie ihr Ziel mit tödlicher Präzision.
„Du hast Glück“, entgegnete Hinthrone und gab Smith und seinen Männern einen Wink, worauf sie sich im Halbkreis um ihn herum positionierten. „Seit ich Granada betreten habe, bin ich wirklich richtig gut gelaunt, und nur deswegen seid ihr noch nicht tot. Mein letzter Besuch liegt schon ein paar Jahre zurück … ich erinnere mich genau … damals hätte ich deinen Vater Estéban fast dazu gebracht, mich an diesen wundervollen Ort zu führen. Leider war er nicht willens, mir zu helfen.“
„Du warst das? Du hast ihn getötet!“, spie Raoul hasserfüllt aus und nun verzerrte der blanke Zorn seine attraktiven Gesichtszüge. Seine freie Hand ballte sich so fest zu einer Faust, dass die Knöchel weiß hervorstachen.
„Wie ich sehe, nimmst du mir es übel, aber ich kann deine Abneigung gegenüber meiner Person durchaus nachempfinden, denn mir geht es bei dir und deiner Sippschaft nicht anders.“
„Lass deine großen Reden, damit verschwendest du nur kostbaren Atem.“ Raoul lief, scheinbar ziellos durch den Schock, auf eine 1,20 Meter hohe Holztruhe zu, die ihm bei einem Kugelhagel hoffentlich genug Schutz bot. Und das dieser bevorstand war mehr als offensichtlich, es war nur eine Frage der Zeit. Doch wie und wo konnten sein Sohn und seine Freunde sich in Sicherheit bringen? Die vier standen wie auf dem Präsentierteller da, jeder Blinde hätte sie auf der Stelle erschießen können.
Mit diesem Problem beschäftigten sich auch Gillean und seine Freunde, welche ebenso wie Raoul blitzschnell die Gefahr erkannt hatten. Vorsichtig stellte sich Gillean vor seine Freundin Kimberly, die am ganzen Körper zitterte. Ryan folgte seinem Beispiel, indem er als menschlicher Schutzschild vor Aidan in Position ging. Dadurch war es Kimberly und Aidan möglich etwas zu sehen, das ihnen das Blut in den Adern gefrieren ließ: Sowohl Gillean als auch Ryan trugen in ihren Hosenbünden eine Schusswaffe. Wie und wann die beiden in deren Besitz gelangt waren und wo sie sie bis jetzt versteckt gehalten hatten, war ihnen dabei schleierhaft. Umso mehr wuchs ihre Angst. Der Gedanke, jemanden zu verlieren oder selbst getötet zu werden, war plötzlich vorherrschend. Nun zählten nur noch Leben und Überleben, um jeden Preis.
Nicht sichtbar für ihre Feinde zog Gillean seine Waffe aus dem hinteren Hosenbund heraus und legte die Finger um den kalten Griff. Ryan tat es ihm gleich und spürte deutlich seine weichen Knie. Niemals hätten die beiden gedacht, von
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