Sträflingskarneval
diesen Kampf verlor er kläglich.
Nun war Ryan verunsichert. Die Tränen hatten sicher nichts mit Kimberly zu tun, aber Ryan scherte weniger der Auslöser. Er wollte Aidan nur noch trösten. Und er musste sich eingestehen, dass er allmählich wirklich begann, ihn zu mögen. Er hob die Hände und legte sie tröstend auf Aidans verbundene Finger. Er wollte ihm verdeutlichen, dass er nicht mehr alleine war, auch wenn Ryan nicht wusste, ob er damit das Richtige tat. „Weine ruhig… es ist gut, wenn es dir hilft“, flüsterte Ryan und musste mehrmals hart schlucken, der Kloß in seinem Hals drohte immer größer zu werden. „Du brauchst keine Angst mehr vor ihm zu haben … Kim und ich sind da“, redete er sachte weiter. „Smith wird dir nichts mehr tun … er und die anderen fassen dich nie wieder an! Das lassen wir und Mrs. Buckley nicht zu, hörst du?“
Plötzlich sah Aidan ihn wieder an. In seinen geröteten Augen glänzten die Tränen.
„Dessen kannst du dir sicher sein, so sicher, wie Colin Donnan mein Urgroßvater war!“ Ryan erwiderte Aidans Blick fest und hoffte, dass sich seine Worte nicht als leere Versprechungen herausstellten. Denn er hatte keine Ahnung, wie man mit solch einer Situation umging. „Es tut mir leid … bitte Aidan. Wenn ich nur wüsste, wie ich dir die Angst nehmen kann. Ich … ich möchte dir dabei helfen, wenn du das willst. Es tut mir so leid …“ Er brach ab und schaute bedrückt auf die weiße Bettdecke.
Aidans Schluchzen war immer noch zu hören, wurde aber langsam leiser und er entzog sich auch nicht Ryans Händen. Nach einigen Minuten wurde er ruhiger, und auch das Zittern ließ nach. Er schniefte noch einige Male auf, bevor er mit brüchiger Stimme zu reden begann.
„Du … du musst dich nicht entschuldigen“, sagte er. „Es war nicht deine … Schuld … es war … Smith und die anderen haben es getan, nicht du. Er hat … mehrmals … die anderen … aber du darfst es keinem mehr sagen. Versprich es mir, bitte?“
Ryan nickte und schaute Aidan aufrichtig an. „Ich verspreche es dir, von Kim und mir erfährt es niemand.“
„Danke.“ Danach herrschte erneutes Schweigen zwischen ihnen.
Die Zeit war nur so dahingeflogen, und es war schon ziemlich spät geworden. Die Krankenschwester schickte Ryan nach oben in sein Zimmer. Er versprach Aidan, gleich am nächsten Morgen wieder zu kommen. Als er nach einer unruhigen Nacht zurückkehrte, fand er ihn in Gesellschaft von Ophelia Buckley vor. Rasch lief Ryan zu ihm ans Bett, setzte sich auf die Bettkante und sah die Schulleiterin und seinen neuen Freund neugierig an.
„Wie ich erfahren habe, geht es Ihnen besser, Aidan, das ist eine wirklich positive Nachricht“, sprach sie und lächelte zaghaft. „Ich hatte gestern Nachmittag eine längere Unterhaltung mit Mr. Hinthrone … aber keine Sorge, ich bin die Überbringerin guter Nachrichten“, fügte sie eilig hinzu, als sich Aidans Schultern alleine beim Namen des Großmeisters anspannten. „Es war zwar alles andere als ein Kinderspiel, denn seine Absichten sind … wie wir ja inzwischen gut wissen … etwas sehr außergewöhnlich. Also lange Rede, kurzer Sinn. Aidan, sobald Sie genesen sind, arbeiten Sie die nächste Zeit für mich und die Schule.“
„Was? Wirklich?“, kam es von Ryan und Aidan wie aus einem Mund.
Heute schien wohl ihr Glückstag zu sein.
„Was ist passiert?“ Aidan begann nervös im Bett herumzurutschen, während Ryan die Schulleiterin völlig perplex anstarrte.
„Gar nichts ist passiert“, verkündete sie und verbiss sich ein Lächeln. „Unsere Köchin benötigt dringend noch ein paar helfende Hände. Deshalb dachte ich mir, ich frage einfach nach, ob unser gütiger Großmeister mir nicht aushelfen könnte. Aber zuerst kommen Sie zu Kräften, dann werden wir weitersehen. Und bevor ich es vergesse“, ihr Blick wanderte zu Ryan. „Ich möchte sie bitten, für Aidan ein Hemd und eine Hose zu besorgen. Die Fetzen vom Gefängnis müssen dringend auf den Müll geworfen werden.“
Mechanisch nickte Ryan, bis er das ganze Ausmaß ihrer Worte begriffen hatte. Ein breites Grinsen fuhr über sein Gesicht und beinahe war er versucht, Mrs. Buckley vor Freude um den Hals zu fallen. Aber das ließ er dann doch lieber sein, stattdessen schlang er die Arme voller Begeisterung um Aidan.
Obwohl Aidan vor Freude fast an die Decke gesprungen wäre, überraschte ihn Ryans Reaktion. Und obwohl sich diese Umarmung total ungewohnt und seltsam anfühlte,
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