Sträflingskarneval
worden. An der großen Eingangstür prangte ein riesiger Kranz aus Tannenzweigen. Und wie es ebenfalls Brauch war, hatten die hier gebliebenen Schüler ihre Weihnachtssäckchen, versehen mit ihrem eingestickten Namenszug, am Kamin im Gemeinschaftsraum aufgehängt. Neben dem Kamin standen auf einem kleinen Tischchen eine Pastete und eine Flasche Guinnes, womit sich die Beschenkten bei Santa Claus für ihre Geschenke bedankten.
Vorbei an all dem Festtagsschmuck erreichten die beiden jungen Männer die erste Etage. Vor dem Geschichtsraum blieben sie schließlich stehen.
„Immer hereinspaziert; und fühl dich wie zu Hause“, sagte Ryan galant, öffnete die Tür und lud ihn mit einer Handbewegung ein.
Im ersten Moment glaubte Aidan zu träumen. Der leckere Duft von Zimt und frischem Weihnachtsgebäck stieg ihm in die Nase. Der große Raum besaß heute Ähnlichkeit mit einem gemütlichen Wohnzimmer. Im hinteren Teil stand eine mindestens drei Meter hohe Tanne in Silber, Gold und Karmesinrot geschmückt. Auf der Spitze saß ein silberglänzender Weihnachtsengel, und brennende Kerzen auf den Zweigen spendeten angenehmes Licht. Davor ruhte ein breites mit weinrotem Samt überzogenes Sofa auf dem mehrere weiße Kissen zum Ausruhen einluden. Auf dem kleinen Couchtisch davor gab es gefüllte Glasschalen mit Süßigkeiten und Weihnachtsgebäck. Aidan lief bei diesem Anblick das Wasser im Mund zusammen. Rechts davon entdeckte er einen festlich gedeckten Tisch mit weißem Porzellan, Silberbesteck und zwei brennenden fünfarmigen Kandelabern.
„Du bist wahnsinnig!“, flüsterte Aidan und konnte es immer noch nicht glauben.
„Wenn schon, dann sind wir wahnsinnig.“ Kimberly tauchte plötzlich hinter ihnen auf. „Ich wünsche euch frohe Weihnachten.“ So wie sie dastand, war sie wunderschön anzuschauen. Sie trug ein schwarzes, schlichtes Kleid, das ihren schmalen Körper fabelhaft betonte und ihr bis zu den Knien reichte. Die Schultern waren trägerfrei. Ihre Haare hatte sie hochgesteckt und zusammen mit dem dezenten Make-up im Gesicht machte sie einem Model durchaus Konkurrenz.
„Frohe Weihnachten“, kam es von Ryan zurück. Dann umarmte er seine beste Freundin, um anschließend Aidan Platz zu machen.
„Ihr seid wirklich wahnsinnig!“ Der Blonde schüttelte fassungslos den Kopf.
„Wahnsinnig ist gerade der neuste Trend“, scherzte Ryan und hielt ihm unvermittelt ein mit Weihnachtspapier umwickeltes Päckchen unter die Nase, das ihm Kimberly heimlich von hinten in die Hand geschmuggelt hatte. „Bescherung ist eigentlich erst morgen, aber es passt heute einfach viel besser. Mach’s am besten gleich auf.“
Immer noch überrumpelt setzte er sich an den gedeckten Tisch, das Geschenk auf seinen Oberschenkeln balancierend. Nervös riss er das Geschenkpapier auf; zum Vorschein kamen eine neue schwarze Stoffhose und ein Jeansfarbenes Hemd, beides von bester Qualität. Zum wiederholten Mal erklärte er sie für verrückt. Als er sich danach den Tisch genauer besah, wunderte er sich. „Warum stehen da eigentlich fünf Teller?“
„Weil wir auch zum Essen eingeladen sind“, antwortete eine Frauenstimme, deren Klang vor Erregung deutlich zitterte.
Aidan wirbelte auf dem Stuhl herum und erstarrte. Sein Pulsschlag katapultierte sich innerhalb eines Sekundenbruchteils in eine beunruhige Höhe, er atmete schneller und spürte seine Knie weich werden, während sich in seinen Augen Freudentränen sammelten. Vor ihm stand Rossalyn McGrath in einem dunkelblauen Abendkleid und mit vornehmer Hochsteckfrisur. Sie strahlte vor Glück und Freudentränen liefen ihr über die Wangen. Sie breitete die Arme aus und innerhalb nur weniger Augenblicke hielten sich Mutter und Sohn wiedervereint in einer liebevollen Umarmung fest. Die heimlich geplante Überraschung war ein voller Erfolg.
Kimberly und Ryan wischten sich bei diesem herzzerreißenden Bild ein paar Tränchen aus den Augenwinkeln. Sie nickten zufrieden.
Nachdem Rossalyn ihren Sohn endlich wieder loslassen konnte, wurde er herzlich von Kendra begrüßt. Dann war es auch schon Zeit für das Festessen. Leah und Josh brachten es nach oben. Es gab köstliche traditionelle Speisen, darunter Räucherlachs mit irischem Sodabrot, Krabbencocktail, Truthahn, Schinken, Cranberrysauce, Kartoffeln und Gemüse. Die Stimmung beim Essen war ausgelassen und ihr Dank galt ganz besonders Mrs. Buckley, die es überhaupt erst ermöglicht gemacht hatte, dass dieses geheime Treffen
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