Sträflingskarneval
was sich darin verbirgt. Versteht ihr? Der Wächterring gehört in deine Familie, Aidan. Nehmen wir also an, sie wussten davon und dass Aidans Vater das Geheimnis bewahrt und den Ring besitzt, dann ergibt es doch durchaus Sinn. Da liegt es nicht fern, dass auch Ryans Urgroßvater davon wusste, der ja immerhin Großmeister war.“
„Du vergisst aber, dass der Mörder deiner Mutter vermutlich Bartholemeus Hinthrone ist“, sagte Aidan, der auf das belauschte Gespräch zwischen von Mrs. Buckley und Mrs. Donahue andeutete.
„Moment“, warf Ryan ein. Jetzt wurde ihm das Ganze etwas zu viel. „Damit ich das richtig verstehe. Nachdem Lawren McGrath jetzt tot ist, sowie mein Urgroßvater und auch Gilleans Mutter, sind Rossalyn und Aidan die einzigen noch Lebenden, die von dem Originaltext und dem geheimen Weg wissen, wobei der Wächterring von Nöten ist, damit man diesen Weg überhaupt bestreiten kann. Aber außer Rossalyn weiß kein Mensch, was sich dort wirklich befindet. Habe ich recht?“
Beide nickten.
„Gut, dann ergibt es irgendwo doch einen Sinn“, rätselte nun Ryan weiter. „Nehmen wir an, die Datla Temelos wollten unbedingt dieses Geheimnis lüften und wahrscheinlich deswegen den Orden einnehmen, deshalb haben sie Omey Island angegriffen. Dann passt aber Hinthrone nicht ins Bild, wenn man von seiner Sucht nach Macht absieht. Außer er hätte mit den Formori gemeinsame Sache gemacht.“
„Wieso nicht“, stimmte Gillean ihm zu und zusammen schauten sie zu Aidan.
„Keine Ahnung“, erwiderte der plötzlich kleinlaut. „Ramon und seine Männer waren zwar mehrmals bei uns zu Hause und haben sich mit meinem Dad in seinem Arbeitszimmer eingeschlossen. Aber Hinthrone war nie dabei, wenn es das ist, was ihr gerade denkt. Und vergesst nicht, ich habe nie mitbekommen, über was sie sich unterhalten haben.“
„Leute“, meldete sich Ryan zu Wort, dem nun wirklich der Kopf schwirrte. „Das sind haarsträubende Theorien, aber es gibt niemand, der uns aufklären will. Rossalyn schweigt, genauso wie ihre Schwester; und Mrs. Buckley können wir ja wohl schlecht darauf ansprechen.“
Danach schwiegen sie und der Tod von Lawren McGrath rückte langsam wieder in den Vordergrund.
„Es ist ganz gut, dass mein Dad jetzt nicht mehr da ist“, verkündete Aidan emotionslos und knüllte den Brief seiner Tante zusammen.
Entgeistert beobachtete ihn Ryan dabei. „Aber er war dein Vater …“
„Rate mal, das weiß ich“, schnaubte Aidan unerwartet und warf das zusammengeknüllte Papier in die nächste Ecke. „Aber er war nicht dein Vater, Ryan.“
„Das glaube ich jetzt nicht,“ stammelte Ryan fassungslos.
„Dann tu’s auch nicht, aber dein plötzliches Mitgefühl für meinen Vater grenzt schon an Heuchelei.“
„Es ist kein Mitgefühl“, verteidigte sich Ryan, der die neue Richtung ihres Gespräches nicht gut fand, ganz abgesehen von Aidans bissigem Tonfall. Doch er versuchte ruhig zu bleiben. „Aber du hast wenigstens einen Vater gehabt, ich nicht.“
„Ich verstehe dich“, meinte Gillean, bevor Aidan was sagen konnte. „Ich kannte meinen Dad auch nicht, nur von zwei Fotos, die noch vor meiner Geburt gemacht wurden. Meine Mum hat mir auch nie wirklich etwas von ihm erzählt … nicht mal, wo er in Spanien begraben ist. Gerade mal seinen Namen kenne ich.“
Ryan warf Gillean einen Blick aus einer Mischung zwischen Verständnis und Mitgefühl zu.
„Aha … und jetzt glaubt ihr, dass ich wegen mangelnder Trauer ein schlechter Sohn bin?“, platzte es gekränkt aus Aidan heraus.
„Nein!“, antworteten beide gleichzeitig.
„Ihr hättet bestimmt nicht mit mir tauschen wollen“, versuchte Aidan versöhnlicher zu klingen, was ihm allerdings nicht so recht gelang. In seiner Stimme schwang eine unterschwellige Frustration mit. Die Erinnerungen an seine Kindheit wirbelten wie ein Albtraum durch seinen Kopf. Nervös knetete er die Finger. „Ihr denkt wahrscheinlich, Lawren war ein guter und perfekter Vater. Da liegt ihr so was von daneben. In mir hat er nur den männlichen Erben des Namens und des Vermögens gesehen. Und weil die gesamte Familie McGrath von den Urvätern unseres Ordens abstammt – wir kommen direkt hinter deiner Familie, Ryan – war es für ihn sehr wichtig, alles zu tun, dass ich auch nie außerhalb des Ordens heirate. Tja, dass ich schwul bin, hat er zum Glück nicht gewusst.“ Er machte eine kurze Pause und starrte auf den Boden. „Früher hat er mir immer nur gesagt, was
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