Sträflingskarneval
ich machen soll und wenn es nicht klappte, hat er … na ja, er hat halt ein paar Ohrfeigen ausgeteilt. Ich sollte eben immer und überall zeigen, dass ich sein Sohn bin. Und dann hat er plötzlich gemeinsame Sache mit MacDermot gemacht und meine Mum und mich einfach mit in die Sache reingezogen. Daher ist es ganz gut, dass er jetzt tot ist und er uns für alle Zeit in Ruhe lässt. Wenn ihr also unbedingt jemanden trösten wollt, dann meine Mum. Mir geht es gut, diese Nachricht kam nur sehr überraschend."
Nach dieser impulsiven Erklärung sahen Ryan und Gillean die Sache aus einem völlig anderen Blickwinkel, und sie nickten verstehend.
„Irgendwie erinnert mich das an meinen Cousin“, sagte Ryan und seine Freunde sahen ihn neugierig an. „Schon seit dem Kindergarten wollte er immer besser und beliebter sein als ich. Manchmal hat er sich gerne mit mir geprügelt und am Schluss mir die Schuld in die Schuhe geschoben. Prügeln ist echt sein Lieblingshobby. Und offenbar scheint es mein Onkel auch endlich kapiert zu haben, denn er hat ihn zu Hause rausgeschmissen.“
„Jungs“, meldete sich Aidan zu Wort. „Es ist besser, wenn ich jetzt wieder arbeite. Mrs. Clark fragt sich bestimmt schon, was los ist und ich habe keine Lust, ihr etwas zu erzählen. Können wir uns vielleicht in meiner Mittagspause weiter unterhalten?“
„Ups.“ Gillean sah auf seine Uhr. „Wir müssten schon längst in Mathe sein.“
„Mist!“ Ryan sprang vom Bett auf. „Mr. Bourke hält uns garantiert eine Standpauke.“
Aidan lachte, er konnte sich seinen früheren Lehrer gut vorstellen.
„Hier wird nicht gelacht. Ich möchte lieber einen Abschiedskuss“, flüsterte Ryan und beugte sich zu Aidan vor.
„Dein Wunsch ist mir Befehl“, salutierte Aidan frech schmunzelnd und dann küsste er ihn.
- 9 -
Umzugsleiden, Umzugsfreuden
Nach der Nachricht von Lawren McGraths Tod kehrte relativ schnell wieder der Alltag ein. Noch ein paar Mal diskutierten sie zu viert über die Rätsel, auf die sie keine Antworten wussten. Nicht einmal Kimberlys hartnäckige Suche in Büchern über den Orden und im Internet war trotz unzähliger Versuche von Erfolg gekrönt. Und dann kam die Zeit, in der die Abschlussprüfungen kurz bevorstanden. Von da an mussten sie jeden Tag viele Stunden lernen. Das zahlte sich pünktlich zum Tag der Prüfungsergebnisse Anfang Juni aus. Kimberly war, wie es alle bereits im Vorfeld vermutet hatten, die Beste, und Ryan und Gillean lagen nur knapp hinter ihr.
Doch die Prüfungsergebnisse beschäftigten die Freunde nur vordergründig, denn mit dem Schulabschluss war auch die Zeit für sie gekommen, um auf eigenen Füßen zu stehen. So wurde aus einer anfänglich irrwitzigen Idee Ernst. Nachdem Kimberlys Eltern vor drei Monaten nach Amerika gezogen waren, um dort ihre neuen Arbeitsstellen in einem angesehenen Krankenhaus in Boston anzutreten, hatten sie ihrer Tochter das große Haus allein überlassen. Nun hatten die Freunde beschlossen, dort gemeinsam einzuziehen. Es stand ein wenig außerhalb Clifdens, nicht allzu weit von Kendra O’Neills Haus entfernt und immer noch nah genug an Omey Island. Doch kaum hatten sie diesen Entschluss gefasst, jagte ein Problem das nächste.
Zunächst mussten sie sich jedoch Gedanken über ihre Zukunft machen. Jeder musste für sich überlegen, ob er Arbeiten oder doch lieber Studieren wollte. Das Haus bedurfte einer Renovierung; und Ryans Angebot, er werde die Kosten dafür übernehmen, lehnten sie von vorneherein kategorisch ab. Also musste eine andere Lösung her, und die kam schließlich von Mrs. Buckley, die ihre Schützlinge bei ihren Zukunftsplänen tatkräftig unterstützte. Da ihr Status als angesehenes Mitglied der Druida Lovo großen Einfluss besaß, gelang es ihr in kürzester Zeit, Arbeit für alle zu finden. Gillean bekam die Chance, in der Verwaltung des Ordens in Galway unterzukommen, wo er gut verdienen würde. Kimberly hatte die Möglichkeit, in der großen Bibliothek von Galway zu arbeiten, die ebenfalls vom Orden finanziell getragen wurde. Dazu mussten jedoch beide dringend ihren Führerschein machen, denn ohne Auto kämen sie nicht sehr weit. Ryan glaubte sich im Paradies, als er hörte, dass er bei einem ansässigen Antiquitätenhändler in Clifden mitarbeiten durfte, um sich nebenbei in aller Ruhe an einer Universität zu bewerben und seinen Traum wahr werden zu lassen: das Studium der Archäologie.
Das größte Problem allerdings war Aidan: Er musste auf
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