Sträflingskarneval
ganz nett aus“, redete Rossalyn unbekümmert weiter und lächelte dabei vergnügt. „Falls du es vergessen haben solltest, mein Sohn, ich habe dich geboren. Damit steht mir das Recht zu behaupten zu können, ich kenne den Unterschied zwischen Mann und Frau und weiß genau, was ein Kuss ist. Habt ihr auch schon …“
„MUM!“ Aidan sprang auf und fixierte seine Mutter mit einer Mischung aus Empörung, Staunen und Wut.
„Setz dich wieder und beruhige dich, mein Sohn“, forderte Rossalyn bestimmend.
„Ja, komm schon“, ermunterte ihn Ryan. Für seinen Geschmack war die Bombe besser geplatzt, als er es sich hätte vorstellen können. Und offenbar hatte Rossalyn gegen die Wahrheit nichts einzuwenden, sonst hätte sie anders reagiert. Allerdings fühlte er sich doch ein wenig beschämt, weil sie die Tatsache so unverblümt ausgesprochen hatte. Nervös kaute er auf seiner Unterlippe herum.
„Das Temperament hast er eindeutig von Lawren“, erklärte Rossalyn McGrath und ihre sanftmütigen Augen schauten amüsiert zwischen Aidan und Ryan hin und her. Als niemand etwas darauf erwiderte, nahm sie genüsslich mehrere kleine Schlucke ihres Tees.
Es verstrichen etliche, schier unendlich lange Sekunden. Kimberly und Gillean grinsten hinter vorgehaltener Hand, Kendra O’Neill lächelte ganz offen. Aidan hatte seinen Blick gesenkt und starrte mit rotem Kopf auf seinen leeren Teller und setzte sich wieder, um der Peinlichkeit seines ungestümen Auffahrens ein wenig die Schärfe zu nehmen. So hatte er sich sein Outing nicht vorgestellt.
„Aidan …“, sprach Rossalyn und seufzte. „Mein Schatz, was du da gerade tust, ist kindisch. Ich dachte, du bist heute Achtzehn und nicht Acht geworden. Glaubst du denn wirklich, ich hätte es nicht längst gewusst? Aidan, ich bin deine Mutter, und selbst wenn du es geheim halten wolltest, vor mir hättest du es nie verstecken können.“
Kaum waren die Worte ausgesprochen hob Aidan zögerlich den Kopf. „Du hast es gewusst?“ Seine Stimme war leise, kaum zu hören, und er drückte nun unter dem Tisch Ryans Hand, der ihm damit Mut verlieh.
„Was glaubst du denn … natürlich wusste ich es. Schon als du mit Steve ständig verschwunden warst.“ Rossalyn lachte. „Ich habe euch beide knutschend am See gesehen, und selbst wenn ich das nicht hätte: Allein deine Augen haben dich verraten. Außerdem hast du nur von Steve geredet, es gab gar kein anderes Thema mehr für dich. Umso trauriger war ich, dass er nicht bei der Verhandlung war.“ Sie machte eine kurze Pause, und ihr Gesicht verriet, dass sie Aidans Enttäuschung diesbezüglich nachempfinden konnte. „Ich freue mich wirklich, dass ihr zwei euch gefunden habt.“
„Aber … aber du … du wolltest doch immer …“, stammelte Aidan und wurde von seiner Mutter unterbrochen.
„Enkelkinder?“, fragte sie und er nickte. „Aber das wird wohl schlecht gehen. Dafür hast du einen lieben Freund gefunden, er ist für dich da, er nimmt dich so, wie du bist. Das ist fast genauso viel und vielleicht sogar noch mehr wert, denn du bist glücklich; und mehr wünsche ich mir gar nicht für dich. Jetzt aber genug davon, es wird Zeit für die Geschenke. Wir wollen ja schließlich heute deinen Geburtstag feiern.“
Rossalyn förderte währenddessen einen fünfmal fünf Zentimeter langen und breiten schwarzen Samtbeutel ohne jegliche Verzierungen aus ihrer Handtasche zutage und reichte ihn an Aidan weiter. Kendra hielt wie aus dem Nichts ein kostbar aussehendes Buch in der Hand, während Kimberly und Gillean gemeinsam einen kleinen bunten Kasten hervor holten und diesen ihrem Freund übergaben. Ryan hatte ein quadratisches kleines Päckchen in der Hand.
Aidan strahlte. „Danke … euch allen.“ Nichtsdestotrotz wanderte sein Blick nervös über die Anwesenden, um bei seiner Mutter zu verharren. „Danke … danke für alles. So hab ich mir mein Coming out allerdings nicht vorgestellt.“
„Das hast du schon längst hinter dir“, bedeutete Rossalyn beruhigend. „Also mach lieber deine Geschenke auf.“
Das war für ihn Antwort genug. Seine Mutter hatte seine sexuelle Neigung einfach akzeptiert, mehr konnte er sich gar nicht wünschen. Deshalb gab es für Aidans Neugier nun auch kein Halten mehr. In freudiger Erwartung widmete er sich den Geschenken. Behutsam öffnete er zuerst den Samtbeutel seiner Mutter. Zum Vorschein kam ein silberner Ring mit einem eingeprägten Labyrinth-Ornament. Laut seines keltischen Glaubens hieß
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