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Sträflingskarneval

Sträflingskarneval

Titel: Sträflingskarneval Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Eickert
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Loyalität und all die anderen Floskeln, die doch nur eines ausdrücken: Feigheit! All das gibt es in meiner Familie nicht mehr, Ryan. Ich habe meinen Vater nie verstanden und verstehe nicht mal jetzt, was er immer von mir wollte. Der Tod hat die Taten meines Vaters vielleicht gerächt, aber er hat deswegen nichts bewirkt. Verstehst du? Es ist noch alles beim Alten. Also rede nicht von Ehre und Stolz, Ryan“, wiederholte Aidan seufzend.
    Die betretende Stille zwischen ihnen wuchs. Ryan hatte plötzlich Angst um seinen Freund und wusste nicht, wie er ihm helfen konnte. Er fühlte sich klein, bedeutungslos, schlichtweg hilflos.
    „Ryan?“, meinte Aidan nach einigen Minuten. „Ryan, es tut mir leid.“
    „Muss es nicht, wenn … dann tut es mir leid“, antwortete Ryan erleichtert und seine Fingerspitzen streichelten die blonden Strähnen seines Freundes.
    „Dann sind wir quitt?“
    „Sieht wohl so aus.“
    „Versprichst du mir etwas?“, fragte Aidan zurückhaltend.
    „Alles“, erwiderte Ryan ohne Umschweife.
    „Ich möchte nie wieder nach Llŷr zurück oder von Smiths Händen berührt werden.“ Der folgende angsterfüllte Tonfall verdeutlichte den Ernst hinter den Worten. „Wenn das jemals wieder passieren sollte, Ryan, dann … ich schwöre dir, ich werde das nicht überleben, und wenn es heißt, dass ich mich selbst umbringen muss.“
    „Nein!“ Ryan erschrak. „Das darfst du nicht. Ich würde alles tun, damit das nie geschieht, das schwöre ich dir! Hast du verstanden?“
    Aidan holte tief Luft, richtete sich ein Stück auf und wurde von Ryan in eine feste Umarmung gezogen. So gaben sie sich gegenseitig Kraft.
    „Bitte, Aidan …“, flehte Ryan. „Du darfst dich nicht umbringen. Wenn du das jemals tun würdest, würde ich dir das nie verzeihen. Ist das klar! Sonst werde ich nämlich mächtig sauer! Und du kommst doch gar nicht mehr nach Llŷr. Also denk erst gar nicht dran.“
    „Kann ich dir wirklich glauben?“, Aidan klang dabei erschöpft und fing an zu zittern. Schreckliche Erinnerungen kamen in ihm hoch, dennoch sprach er gedämpft weiter. Er musste sie aussprechen, jetzt, sonst würde er keine innere Ruhe finden. „Glaub mir … du kennst Smith nicht so gut wie ich … und lass mich ausreden, bevor du etwas sagst, bitte. Ich wünsche mir, dass du es verstehst.“
    Ryan nickte und versuchte das flaue Gefühl im Magen zu verdrängen, während er lauschte.
    „Ich dachte früher einmal, dass Vaters harte Ermahnungen und Strafen schlimm gewesen wären, aber das ist gar nichts gegen Llŷr. Dort glaubte ich, ich würde nie wieder die Sonne sehen. Alles war schwarz … morgens, mittags, abends, nachts … nur, wenn sich die Wärter manchmal in der Nähe meine Zelle unterhielten, konnte ich mir zusammenreimen, was für ein Tag oder welche Uhrzeit wir gerade hatten. In den Zellen gibt es nur die Tür und das Loch, durch das sie dir das Essen reinschieben, alles andere ist Fels. Kein Fenster. Überall fühlst du nur nackten Stein. Verstehst du, Ryan, da ist nichts, absolut gar nichts! Deine einzigen Freunde dort sind das Ungeziefer, der Dreck und die verfluchte Dunkelheit … und wenn du mal Licht siehst, dann kommt es von einer Fackel aus dem Gang und es blendet dich. Und du hörst Schreie, immer wieder Schreie. Weißt du, die anderen schreien und rufen und sind erst froh, wenn die Wärter kommen und sie schlagen.“
    Aidan hielt kurz inne und fühlte Ryans warme Hände auf sich ruhen. Sie beruhigten ihn und verliehen ihm neuen Mut, um über die grausame Zeit weiterzureden, die er bisher tief in sich eingeschlossen hatte. Aber er spürte auch, dass es ihm gut tat, endlich das auszusprechen, was ihm mehr Angst einjagte als der Tod selbst. Wer konnte ihn besser verstehen, als der Mensch, den er liebte und dem er vertraute?
    „Als ich dachte …“, fuhr Aidan kraftlos fort, „… Llŷr wäre das Schlimmste, da … kam plötzlich Smith. Er ist ein absolut treuer Anhänger von Hinthrone. Und er liebt es, andere zu quälen.“ Bei den letzten Worten war seine Stimme kaum mehr ein Flüstern. Er wollte nicht weinen und nur seine aufsteigende Wut gegenüber Smith half ihm, weiter zu sprechen. Schließlich klang er gefasster. „Smith hat mich von Anfang an mehr gehasst, als alle anderen und das hat er mir jeden Tag ins Gesicht gespuckt. Zuerst hat er seine kranken Spielchen nur mit den anderen Gefangenen gemacht. Er zwang sie … er hat sie ihre eigene … Sch … verdammt … sie mussten ihre

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