Sträflingskarneval
Fäkalien essen, und wenn sie es nicht taten, hatte er sie fast eine Stunde geschlagen, getreten und ausgepeitscht! Und die, die es getan haben, hat er beschimpft und ausgelacht, wenn sie alles wieder auskotzten. Smiths Männer standen außen herum, hielten uns andere in Schach und lachten. Irgendwann hatte er wohl genug davon, oder auch nicht …“, schluckte Aidan merklich und sah die dreckige Schlafbaracke der Sträflinge deutlich vor sich.
Sie war in Eile gebaut worden, das Dach war undicht, der Boden feucht, es gab für jeden eine alte, stinkende Wolldecke und einen Eimer für alle, um sich in einer Ecke zu erleichtern. Der Gestank war fast genauso unerträglich, wie der ekelhafte Eintopf, den er und seine Mithäftlinge mit einer Scheibe Brot und einem Becher Wasser morgens und abends vorgesetzt bekamen. Die Aufseher schliefen in einer sauberen, aufgeräumten und warmen Hütte nebenan.
„Kurz nachdem wir uns auf Omey Island zum ersten Mal wieder sahen“, erzählte Aidan, „hat Smith angefangen. Nachts kam er öfters mit zwei seiner Leute und die … sie brachten … sie schleiften mich ein Stück in den Wald. Smith kam mit der Peitsche nach. Und dann … sie haben mir die Kleider ausgezogen … und … und mich festgehalten … und er … er hat mich …“ Er brach beschämt ab und seine anfängliche Wut war schlagartig wieder in Angst umgeschlagen. Die Tränen rollten seine Wangen herab und er zitterte am ganzen Körper.
Ryans Hass auf Peter Smith hatte plötzlich außergewöhnliche Dimensionen angenommen; und er sehnte den Tag herbei, an dem er endlich mit diesem abscheulichen Schwein abrechnen konnte. Noch stärker wurde sein Wunsch, für Aidan immer da zu sein. „Ich bin bei dir … Aidan“, flüsterte er ihm zu. Nun verstand er Aidans Wunsch sich lieber umzubringen, als noch einmal die Hölle auf Erden erleben zu müssen. „Ich beschütze dich, das habe ich dir versprochen.“
Aidan klammerte sich an ihn wie ein verängstigtes Kind. „Ryan, bitte … verlass mich nicht.“
„Niemals!“, versprach er und wischte sich aus den Augenwinkeln eine Träne fort.
- 11 -
Der Feind lauert überall
Eine Woche nach Aidans Geburtstagsfeier hatte Ryan den anderen versprochen, für sie alle etwas kochen; also ging er nach seinem Feierabend noch schnell in den Supermarkt, der auf seinem Heimweg lag, um ein paar Besorgungen zu machen. Als er, in Gedanken vertieft, aus dem Laden trat und um die nächste Straßenecke bog, prallte er abrupt gegen etwas Schweres. Die Taschen fielen zu Boden und ein dumpfer Schmerz durchzuckte ganz kurz seinen rechten Oberarm. Dabei taumelte er nach hinten und konnte sich gerade noch mit der Hand an einer Hauswand abstützen, bevor er rücklings gestürzt wäre.
„Hey, du Volltrottel, kannst du nicht aufpassen, wo du hinläufst!“, tobte eine männliche Stimme, die Ryan auf unangenehme Art und Weise verdammt bekannt vorkam. „Oh man, ihr Penner könntet ruhig besser aufpassen“, wetterte sie weiter und Ryan blickte mit einer üblen Vorahnung von breiten Füßen in abgelaufenen Turnschuhen zu einer schmuddeligen Jeans in Größe XL hinauf, weiter an einem hellgrün und weiß gestreiften T-Shirt – wodurch der beleibte Bauchumfang des Trägers deutlich betont wurde – nach oben und in ein dickliches Gesicht. Vor ihm stand in wahrer Lebensgröße sein Cousin Duncan Audley!
„Pass doch selbst auf“, fluchte Ryan und spürte seinen Hass auf Duncan aufflammen. Was tat er hier in Clifden?
„Hey … Hi, Ryan“, sagte Duncan überrascht. „So sieht man sich wieder.“ Anschließend lachte er jedoch überheblich.
„Leider“, brummelte Ryan. „Was machst du hier? Dein Fettwanst versperrt mir den Bürgersteig, also schwing deinen Arsch woanders hin.“ Sein Tonfall machte offensichtlich, dass er Duncan weder sehen noch mit ihm reden wollte.
„Wieso musst du mich gleich beleidigen?“, fragte Duncan, wobei seine Miene wirkte, als könnte er kein Wässerchen trüben.
So kannte Ryan ihn. Schleimig. Überheblich. Ausdruckslos. Duncan war ein Idiot und ein penetranter Lügner. Das steigerte seine angestaute Wut gegenüber seinem Cousin noch mehr. Er konnte diese hässliche Visage nicht länger ertragen. Daher bückte er sich, um die fallen gelassenen Einkaufstüten aufzuheben. Doch Duncans Hand hielt ihn an der Schulter zurück, wobei ein breites, schmieriges Grinsen sein Gesicht überzog.
„Schon gehört, ich bin jetzt auch ein Ordensmitglied“, sprach Duncan
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