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Sträflingskarneval

Sträflingskarneval

Titel: Sträflingskarneval Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Eickert
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Ein modernes Gefängnis war gegen diese mittelalterliche Bastion das reinste Paradies.
    „Mr. Hinthrone …“, begrüßte Liam McBright den hohen Besucher mit einem zahnlückigen Lächeln, erhob sich von seinem Stuhl und umrundete den Schreibtisch. Er streckte ihm seine dreckige Hand entgegen. „Schön, Sie wieder zu sehen.“
    Der Großmeister nickte und machte demonstrativ einen Schritt zurück, denn in dessen unreinlichen Zustand würde er dem Aufseher ganz sicher nicht die Hand schütteln. Zudem stank er faulig aus dem Mund, woraufhin Bartholemeus angeekelt die Nase rümpfte. „Sie könnten sich ruhig öfter waschen“, antwortete er schließlich. „Sie stinken wie eine ganze Müllhalde.“
    Liam McBright lachte, als hätte sein Gegenüber einen Witz gemacht. „Nun ja, hier gibt es keine hübschen Miezen, für die es sich lohnen würde; und die restlichen Gäste legen darauf nicht so viel Wert, wenn Sie verstehen.“ Er zwinkerte. „Aber Sie sind bestimmt wegen unseres ganz besonderen Gastes gekommen, oder möchten Sie wie üblich alles inspizieren? Ich kann Ihnen versichern, seit ihrem letzten Besuch hat es keine weiteren Ausbruchsversuche mehr gegeben. Die verräterischen Hunde haben es wohl endlich eingesehen, dass sie mit uns nicht spielen können.“
    „Gut“, winkte Bartholemeus beiläufig ab. „Führen Sie mich zu ihm.“
    „Selbstverständlich.“ Der Aufseher setzte sein tückischstes Grinsen auf und schnappte sich einen großen Schlüsselbund vom Schreibtisch. „Folgen Sie mir bitte.“
    Gemeinsam liefen sie zum hinteren Teil des relativ spärlich erhellten Büros. In einer raschen Abfolge berührte Liam McBright bestimmte Stellen an der Wand, wobei nach jeder Berührung ein lautes Klacken zu hören war. Dann begann die Wand leise zu rumpeln und ein einfacherer Mechanismus brachte eine unsichtbare Tür im Gestein in Bewegung, die sich langsam öffnete. Sie war schon so alt wie das Gebäude selbst und doch sah sie für ihre siebenhundertfünfzig Jahre immer noch makellos aus und funktionierte einwandfrei. Wer nicht wusste, dass sich hier eine Geheimtür befand, der hätte sie niemals gefunden. Dahinter erstreckte sich ein kleiner schmaler Gang. Nur ein paar Schritte weiter befand sich ein Treppenabsatz, der in eine undurchdringliche Finsternis führte. Der Aufseher leuchtete den Weg mit einer großen Taschenlampe aus, während Hinthrone sich mit einer brennenden Fackel begnügte. Sie machten sich schweigend an den Abstieg in die pechschwarze Tiefe, und gleichzeitig vernahmen sie das Geräusch der sich hinter ihnen schließenden Geheimtür.
    Dicht hintereinander folgten sie der steinernen Wendeltreppe, die direkt in den Stein gehauen war; vorbei an riesigen Spinnennetzen und ihren Bewohnerinnen. Ab und an huschten Ratten quiekend in ihre Löcher in der Wand zurück, und als sie fast ihr Ziel erreicht hatten mussten sie sich zwei Mal an die Wand pressen, um Rinnsalen ausweichen, die durch kleine Ritzen im Gestein eindrangen und sich am Ende der Treppe mit einem natürlich geschaffenen kleinen See vereinigten, welcher unterirdisch mit dem Meer verbunden war.
    Nach mehr als zehn Minuten Abstieg machten sie einen Bogen um eben jenen See herum und befanden sich unmittelbar in einem uralten Zellenblock, der noch aus den Anfängen Llŷrs stammte und vor dem Bau der oberen Gefängnisfestung benutzt worden war. Das Wissen um diese ursprüngliche Kerkeranlage ging einst verloren und nur Liam McBright, einer seiner Wärter, Peter Smith und Bartholemeus Hinthrone wussten von diesem Ort.
    „Hat er sich in letzter Zeit ruhig verhalten?“, fragte der Großmeister neugierig und voller Vorfreude auf dieses Treffen. Dieser ‚besondere Gast‘ war sein Ass im Ärmel, das ihm helfen würde, der von ihm angestrebten Macht hoffentlich bald näherzukommen.
    „Ja, leider“, sagte der Wärter sichtlich enttäuscht.
    Sie kamen zu einer der hinteren Zellen, und Mr. McBright fummelte an seinem schweren Schlüsselbund herum, bis er den passenden Schlüssel für das alte Schloss gefunden hatte. Damit öffnete er die rostige Gittertür und deutete hinein. „Wenn etwas ist, rufen Sie nur. Ich warte draußen.“
    Hinthrone nickte und trat mit einem breiten Lächeln in die modrige Dunkelheit ein. Das Fackellicht fiel sofort auf schimmeliges Stroh am Boden und nacktes Felsgestein. An der Wand vor ihm kauerte ein Gefangener, der zitternd auf dem Stroh lag und bei der plötzlichen Helligkeit murrend die Augen

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