Sträflingskarneval
versprochen, dass er Llŷr niemals wieder von innen sehen müsste, hatte ihm geschworen, ihn zu beschützen. Wieso hatte er nur heute Morgen auf Aidan gehört und war zur Arbeit gegangen? Er hätte bei ihm bleiben müssen.
Noch bevor er den letzten Gedanken richtig begriff, spürte er Kimberlys Hand auf seinem Rücken, mit der sie sanften Druck auf ihn ausübte. Sie bugsierte ihn bestimmend hinaus ins Vorzimmer und dann weiter auf den Flur. Gillean folgte seinen Freunden nur widerstrebend, aber auch er sah ein, dass jedes weitere Wort in dieser Sache überflüssig war.
Kaum waren sie verschwunden, fiel die innere Anspannung von Bartholemeus Hinthrone ab. „Also ist der Wächterring tatsächlich nicht im Haus versteckt“, sprach er zu seinem Sohn, der enttäuscht nickte. „Lawren hat nach seiner gestrigen Folter auch nichts mehr gesagt. Der ist ebenso stur wie sein Balg unwissend. Irgendwo muss er aber sein. Ich werde einfach das Gefühl nicht los, dass er ganz in unserer Nähe ist.“
„Dann nimm dir endlich McGraths Frau vor“, meinte Smith, der von dem Anruf seines Vaters in aller Frühe immer noch überrascht war. Er hatte ihm den Auftrag gegeben, das Haus zu durchsuchen und Aidan mitzunehmen.
„Nein, sie wollte ich eigentlich für etwas anderes.“ Bartholemeus zwinkerte, wurde aber sofort wieder ernst. „Du fliegst heute noch mit dem Hubschauer zurück nach Llŷr und wirst unseren neuen Gefangenen persönlich im Auge behalten. Aber ich warne dich, er wird nicht angerührt, ich brauche ihn lebend. Doch vorher machst du in Clifden Halt und gibst Jane und Steve diese neuen Instruktionen.“ Er reichte seinem Sohn einen verschlossenen Briefumschlag. „In den nächsten Tagen werden wir unsere Freunde erst einmal schmoren lassen. Anschließend kommt Plan B; und diesmal werde ich Lawren höchstpersönlich foltern. Wenn er dann nicht redet, darf er zusehen, wie ich seinem Sohn vor seinen Augen die Kehle aufschlitze.“
Peter Smith wollte gerade etwas darauf antworten, aber Bartholemeus hielt ihn auf. „Sei vorsichtig. Tavish und seine Freunde werden für heute wahrscheinlich erst einmal ihre Niederlage verdauen müssen, aber sie werden nicht untätig bleiben. Das heißt, Ophelia Buckley wird sich nun noch mehr einmischen. Ich werde nachher gleich noch den Ordensrat einberufen und ihnen mitteilen, dass sich auf Omey Island eine Verräterin befindet, die mit den verbliebenen Formori gemeinsame Sache macht. Das wird sie genug aufhetzen, um auch Ophelia kaltzustellen. Und jetzt geh.“
Sein Sohn nickte, dann verschwand auch er aus dem Büro.
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Blick in offene Karten
Zwei turbulente Tage waren seit Aidans Verschwinden vergangen. Zwei Tage, in denen sich die bis dahin ohnehin schon verkehrte Welt von Ryan, Kimberly und Gillean urplötzlich in einen wahren Alptraum verwandelt hatte. Einen Tag nach ihrem Besuch in Hinthrones Büro, gleich am nächsten Morgen, wurden sie von Kendra O’Neill und Rossalyn McGrath Hals über Kopf und nur mit dem Nötigsten im Gepäck mit dem Auto abgeholt und in den Ort Castlebar gebracht. Dort wartete bereits eine verzweifelte Ophelia Buckley auf sie.
Außerhalb der Kleinstadt befand sich mitten im Grünen, umgeben von Wiesen und sanft ansteigenden Hügeln, ein kleines Häuschen. Es war von der Landstraße her kaum auszumachen, und selbst die Einfahrt war von wildem Gestrüpp fast überwuchert. Der perfekte Ort, um eine Zeit lang Unterschlupf zu finden. Bartholemeus Hinthrone hatte seine Drohung wahrwerden lassen: Seit achtundvierzig Stunden wurden die angesehene Schulleiterin und die beiden Schwestern als Verräter am Orden gesucht. Es verwunderte nur, dass die Freunde bisher nicht auf dieser Liste standen, aber sie vermuteten, dass es nicht mehr lange dauern würde.
Im Haus, das einem verstorbenen Cousin von Ophelia Buckley gehörte, gab es nicht viel Platz, aber es war hell und freundlich eingerichtet. Diese Tatsache half leider nicht, die trüben Gedanken zu vertreiben, die jeden seit ihrer Flucht auf Schritt und Tritt verfolgten. Ryan dachte fortwährend an Aidan, und dass er sein Versprechen ihm gegenüber nicht gehalten hatte. Er machte sich deswegen schwere Vorwürfe und stellte sich vor, wie Aidan aus Verzweiflung Selbstmord beging. Kimberly und Gillean zerbrachen sich den Kopf über den Großmeister und was er mit Aidans Entführung noch bezweckte, außer sie in Rage zu versetzen, was ihm zweifelsohne gelungen war.
„Rossalyn, Kendra und ich sind uns
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