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Strafbataillon 999

Strafbataillon 999

Titel: Strafbataillon 999 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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eine Frau …«
    Die langen schwarzen Haare der Toten lagen wie ein seidiger Kragen um ihren weißen Nacken. Ihre Arme waren entlang des Körpers ausgestreckt mit den Handflächen nach oben, die Finger gekrümmt, so als wollte sie sich in den letzten Sekunden ihres Lebens an irgend etwas festklammern. Quer über den Rücken der dicken Wattejacke lief die Spur des Todes: vier kleine, runde Löcher, die die Kugeln einer Maschinenpistole in den gesteppten Stoff gefetzt hatten.
    Schwanecke hatte sich als erster gefaßt. Er beugte sich über die Tote, packte sie an der Schulter und drehte sie behutsam um, als glaubte er, jede Berührung könnte ihr noch wehtun.
    Deutschmann schwankte. Er trat ganz nahe an das Mädchen heran und sah ihr ins Gesicht. Ihre Züge waren gelöst, und fast schien es, als ob sie lächelte. Die wächserne Blässe ihres hübschen Gesichts stand in einem eigenartigen Kontrast zu ihrem schwarzen Haar. Ihre vollen Lippen waren leicht geöffnet, so, als ob sie noch im Todesschmerz den Namen geflüstert hatte, an den sie in den letzten Stunden immer wieder gedacht hatte: Michael …
    »Tanja … Tanjascha …«, keuchte Deutschmann.
    »Wie? Kennst du sie?«
    Deutschmann nickte.
    »Ist das vielleicht –?«
    »Ja.«
    »Mensch«, sagte Schwanecke, »Mensch und so …«
    Deutschmann stand wie angewurzelt. Dann wich er langsam, wie unter einem schrecklichen Zwang, zurück, mit leichenblassem Gesicht und weit offenen, entsetzten Augen. Sein Mund öffnete sich, doch er brachte keinen Laut heraus. Immer wieder starrte er auf die vier Ausschüsse, die die Watte wie aufgeplatzte Knospen eines Baumwollstrauches aus der Jacke getrieben hatten, und auf den Zettel, der mit einer verrosteten Nadel auf der Brust Tanjas befestigt war.
    »Das sind vielleicht Schweine!« sagte Schwanecke böse und beugte sich nieder, um die Schrift auf dem Papier zu enträtseln. Auf russisch stand es dort ›Deutsche Hure‹, er verstand es nicht und fragte: »Was steht da, kannst du Russisch lesen …?« Er sah sich nach Deutschmann um. »He, Doktor, was ist los?«
    Deutschmann riß sich zusammen. Seine Glieder waren steif und bleischwer. Sie schmerzten ihn bei jeder Bewegung, sein ganzer Körper schmerzte ihn, aber er durfte nicht … er durfte nicht zusammensacken, er mußte …
    »Komm«, sagte er mit einer Stimme, bei deren Klang es Schwanecke kalt über den Rücken lief, »komm!« Nur das. Aber der andere wußte, was er meinte, und lehnte seine Maschinenpistole gegen die Wand.
    Sie nahmen das Mädchen, das nicht lange tot sein konnte, denn ihr Körper war noch nicht steifgefroren, und trugen es behutsam in die Hütte.
    »Ich kann das nicht mitansehen …«, murmelte er wütend. »Ich kann das nicht mitansehen – die Schweine! Die verfluchten Schweine!«
    Sie begruben Tanja im Lehmboden der zweitgrößten Hütte. Eine alte, verrostete Schaufel, die sie gefunden hatten, war ihr einziges Gerät. Sie wechselten sich ab, und es dauerte fast drei Stunden, bis das Loch groß und tief genug war. Die ganze Zeit über sprachen sie kein Wort.
    Berlin:
    Es war wieder einmal Fliegeralarm, und die Kranken wurden in den Keller gebracht. Dr. Kukill saß an Julias Trage, tief über sie gebeugt, sie unverwandt ansehend.
    »Haben Sie es ihm gesagt«, flüsterte Julia mit geschlossenen Augen.
    »Nein, noch nicht«, sagte Dr. Kukill. »Ich habe es versucht, aber ich konnte keine Verbindung bekommen. Es ist sehr weit …« Irgend jemand stöhnte. Der Keller war überfüllt, es roch nach Medikamenten, Desinfektionsmitteln, kranken Körpern, zwischen den eng aufgestellten Behelfsbetten huschten lautlos die Schwestern, an den Wänden saßen zusammengepreßt die Gehfähigen. Ab und zu, wenn die Bombenabwürfe näher lagen, ging durch die dicken Mauern ein leichtes Zittern. Die Menschen starrten dumpf vor sich hin, jemand betete.
    »Werden Sie's noch einmal versuchen?« fragte Julia und öffnete die Augen.
    »Ja«, sagte Kukill. »Sprechen Sie nicht zuviel. Versuchen Sie zu schlafen.«
    »Ich fühle mich schon viel wohler«, sagte Julia und sah ihm gerade ins Gesicht. »Schon viel, viel wohler. Wenn er kommt, bin ich wieder gesund. Er kommt doch bald, Herr Kukill?«
    »Ja«, sagte Dr. Kukill, »er kommt bald.«
    Sie saßen in der hintersten Hütte, der, die dem Wald am nächsten lag. Sie hatten kein Feuer angezündet aus Angst, sich zu verraten. Es war kalt, aber nicht so kalt wie draußen. Oder bildeten sie sich das nur ein?
    Schwanecke hielt seine

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