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Strafbataillon 999

Strafbataillon 999

Titel: Strafbataillon 999 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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und mit schmerzhaft verzogenem Gesicht hinaufkletterte. Als er abfuhr, sangen einige Stimmen: »Muß i denn, muß i denn, zum Städtele hinaus …« Krüll verkroch sich in seinen dicken Pelz. Er hätte vor Wut weinen können, vor Wut und vor der plötzlichen Erkenntnis, daß er ganz allein war, daß alle gegen ihn standen und sicherlich wünschten, seine Verwundung wäre viel schwerer – oder sogar tödlich gewesen …
    Gegen 23 Uhr erschien Dr. Kukill wieder vor der Villa Dr. Deutschmanns in Dahlem. Seitdem er einige Male versucht hatte, Julia telefonisch zu erreichen, konnte er es nicht mehr aushalten. Einige Sätze und hingeworfene Worte Julias fielen ihm wieder ein, Worte, die er damals, als sie gesprochen wurden, nicht besonders ernst genommen hatte, die aber jetzt einen unheimlichen, bedeutungsschweren Sinn erhielten:
    »Von meinem Selbstversuch wird niemand etwas erfahren, bis es soweit ist«, sagte Julia einmal.
    Oder: »Auch Sie werden mich nicht zurückhalten können.« Oder: »Ich werde allen beweisen, daß man Ernst unrecht getan hatte.«
    Diesmal begnügte sich Dr. Kukill jedoch nicht damit, um das Haus herumzugehen und in die Fenster zu sehen, ob er irgendwo einen Lichtschein bemerkte, das Bewegen einer Gardine, ein Geräusch wahrnahm, das ihm verraten würde, daß Julia zu Hause war. Er rannte sogleich auf die Rückseite des Hauses, klopfte einige Male gegen die Küchentür und drückte schließlich das Fenster ein.
    Die Küche war peinlich genau aufgeräumt. Nur auf dem Herd stand ein Topf voll Bohnensuppe.
    »Julia!« rief Dr. Kukill. »Julia – wo sind Sie? Warum verstecken Sie sich vor mir?«
    Keine Antwort. Seine Stimme hallte durch das stille Haus, und Dr. Kukill wußte plötzlich, daß er umsonst rief. Das Haus war leer. Er rannte weiter – durch die Diele – in das Wohnzimmer – in das Arbeitszimmer.
    Als er die schwere Tür des Labors aufriß, blieb er wie festgenagelt stehen. In dem großen, sorgfältig verdunkelten Raum brannten alle Lampen. Auf dem Ledersofa in der Ecke lag eine zusammengeknüllte Decke. Das Telefon stand auf einem Beistelltisch neben dem Sofa und neben dem Telefon ein weißes Viereck: ein Brief.
    Langsam, wie unter einem Zwang ging er hin. Der Brief war an ihn adressiert. Sein Blick blieb an einem Zettel hängen, der halb unter das Telefon geschoben war: Dr. Franz Wissek, Charité, und dann die Nummer. Ohne den Blick von dem Zettel zu lösen, riß er das Kuvert auf.
    Dann las er:
    »Wären Sie als gerichtlicher Sachverständiger mehr Ihrem Gewissen oder auch Ihrer Einsicht gefolgt und nicht den Vorurteilen des sogenannten ›Gebotes der Stunde‹, dann wäre es nie soweit gekommen, daß Sie diesen Brief lesen müssen.
    Ich werde den Selbstversuch unternehmen. Und wenn Sie diese Zeilen lesen, werde ich entweder nicht mehr am Leben sein oder – den Beweis erbracht haben, daß die Verurteilung meines Mannes ein Irrtum war.
    Vermuten Sie in mir keine Heldin. Ich habe entsetzliche Angst. Aber es ist der einzige Weg, Ernst zu rehabilitieren und das Werk fortzusetzen, von dem er überzeugt war und an das auch ich glaube …«
    Er zwang sich, den Brief Zeile für Zeile, Wort für Wort durchzulesen. Und gerade, weil Julia nicht anklagte, sondern kühl und sachlich mitteilte, empfand er seine Schuld um so tiefer. Es stimmte genau, was Julia im ersten Satz schrieb. Doch – wo war sie jetzt?
    Vielleicht half ihm der Zettel mit der Telefonnummer weiter? Charité – natürlich! Sie wird dort irgend jemanden, nein – diesen Dr. Wissek angerufen haben … sicher war sie jetzt dort …
    Es war, als hätte eine Welle fieberhaften Lebens Dr. Kukill erfaßt und ihn emporgehoben. Seine Hände zitterten, als er den Telefonhörer von der Gabel riß und die Nummer wählte, die auf dem Zettel angegeben war.
    Es dauerte eine ganze Weile, bis er die Verbindung bekam.
    Kukill trommelte mit den Fingern nervös auf die Tischplatte, und dann hörte er Schritte, die näherkamen, und eine männliche Stimme:
    »Dr. Wissek.«
    »Ist Julia – Frau Julia Deutschmann bei Ihnen?« Dr. Kukill zwang sich mit aller Macht zur Ruhe.
    »Wer spricht dort?«
    »Kukill – Dr. Kukill – antworten Sie mir, Mann! Ist Frau Julia bei Ihnen?«
    »Ja. Warum wollen Sie denn das wissen?«
    »Herrgott – fragen Sie nicht – was ist los?«
    »Es sieht schlecht aus … eine allgemeine Infektion …«
    »Schlecht?«
    »Sehr.«
    Es war Dr. Wissek, als höre er ein leises, unterdrücktes Schluchzen. Aber das war völlig

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