Strafzeit
Eishockeyanhänger machte derweil Anstalten, über den Kartenpreis in Verhandlungen zu treten. »Zweihundert könnte ich zahlen«, meinte er.
»Vierhundert«, forderte Klaus und präsentierte dem Fremden das Phantombild. »Übrigens: Kennen Sie diesen Mann? Muss auch ein Eishockeyfan hier in Ravensburg sein.«
Der andere schüttelte den Kopf, wobei unklar blieb, ob er damit die vierhundert Euro meinte oder ob er keine Hinweise auf das Phantombild geben konnte.
Hubertus zog den Freund energisch vom Marienplatz weg und machte ihm eine veritable Szene mitten in der Ravensburger Fußgängerzone.
Die Passanten schmunzelten.
Aus dem Eingang einer Kneipe hörte man Schlachtgesänge. »Auf geht’s, Jungs vom Neckar, hey, Jungs vom Neckar – schießt ein Tooor«, schmetterten die Fans ihren beliebtesten Gassenhauer und hüpften dazu immer wieder im Gleichtakt. Offenbar hatten Schwenninger Anhänger das Lokal als Stützpunkt auserkoren.
Hubertus und Klaus versöhnten sich erst wieder, als sie die Eissporthalle fünfundvierzig Minuten vor Spielbeginn betraten. Schließlich waren sie jetzt VIPs – da durfte man nicht allzu negativ auffallen. Die überzählige Karte hatten sie für hundertfünfzig Euro vor der Halle verkauft – das sei der ganz normale Preis bei einem solchen Topspiel, behauptete Klaus. Auf Hubertus’ Idee, das eingenommene Geld zu spenden, erwiderte Klaus mit einem unverbindlichen »mal sehen«.
Immerhin hatte Klaus versprochen, die Phantombilder im Auto zu lassen. Mittlerweile hatten sie sich das Gesicht ohnehin so gut eingeprägt, dass sie den Mann erkennen würden, wenn er da war: etwa fünfzig Jahre alt, von relativ kleiner Statur, tiefe Stirnfalten, eine Halbglatze und ein reichlich zerdelltes Gesicht, das allerdings wohl Klaus’ Zeichentalent geschuldet war.
In der VIP-Lounge schien er schon mal nicht zu sein. Dort ließen sie sich gemeinsam mit den oberschwäbischen VIPs, ein paar Journalisten und einigen Schwenninger Prominenten das kalte und warme Büfett schmecken. Hummel konnte vor Aufregung nichts essen – was ihn angesichts der Köstlichkeiten durchaus wurmte. Klaus hingegen fachsimpelte mit vollem Mund (»Die haben hier doch ein viel zu kleines Stadion für die DEL – oder, Gerhard?«) mit einem der Gesellschafter des SERC.
»Ich kriege hier zumindest immer Platzangst«, meinte der Angesprochene.
Die Mannschaften waren bereits zum Warmmachen auf dem Eis, und es herrschte eine fiebrige, aufgeregte Stimmung. Die Anhänger beider Clubs überboten sich in Sprechchören. Der Schwenninger Fanblock nahm fast ein Drittel der Stehplätze ein. Bei der Jagd auf die Karten hatten sich die »Wild-Wings«-Anhänger offenbar wieder einiges einfallen lassen. Im Falle einer Niederlage würde sicher nicht die mangelnde Unterstützung der Schwenninger Fans den Ausschlag gegeben haben.
Trotz der Brisanz blieb weiter alles friedlich.
Außer bei Hubertus und Klaus.
»Du bist wirklich ein Idiot«, beschimpfte Riesle seinen Begleiter, als sie auf dem Weg zu ihrem Sitzplatz waren. »Wir hätten sogar fünfhundert Euro für die Karte verlangen können.« Er zeigte mit dem Daumen in Richtung Eingang. »Die Leute hätten sich um das Ticket geprügelt.«
Wenn das sein Ziel sei, könne er ihm auch nicht helfen, beschied Hubertus seinem Freund. Der nächste Streit war vorprogrammiert, doch da riss Riesle Hummel am Arm. »Schau mal!«
Der Mann vom Phantombild?
Nein, der nicht.
Stattdessen kamen die Kommissare Müller und Winterhalter gerade aus dem VIP-Bereich in Richtung Sitzplatztribüne. Müller mit angespanntem Gesichtsausdruck, der in seinen obligatorischen Kniebundhosen gekleidete Winterhalter inklusive prächtiger Laune so, als wären sie auf einem Betriebsausflug.
Das waren sie aber ziemlich sicher nicht.
»Womöglich hat Ziegler doch schon entgegen meinem Rat bei der Polizei angerufen«, mutmaßte Riesle.
»Oder dieser Ravensburger Phantommensch hat sich von selbst gemeldet, und sie treffen sich jetzt hier, um ihn zu vernehmen«, steuerte Hummel bei.
Dummerweise kamen die Beamten jetzt geradewegs auf sie zu.
Absicht oder nicht?
In dem Gedränge auszuweichen kam jedenfalls nicht infrage. Andererseits: Warum auch? Sie hatten nichts zu verbergen.
Fast nichts.
Winterhalter tat erstaunt, die beiden zu sehen.
»Was machet Sie denn do?«, rief er gegen den allgemeinen Lärmpegel an.
Hubertus hob seinen blau-weißen Schal hoch: »Wir sind große Eishockeyfans«, rief er.
»Und ich Journalist
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