Straight White Male: Roman (German Edition)
protestieren.
»Im Ernst? Dieses Debakel von einem Drehbuch könnte einen Polish gebrauchen. Der Typ, der dafür engagiert wurde, hat sich als völlige Niete erwiesen.« Kevin knuffte Kennedy scherzhaft gegen den Oberarm, der sich daraufhin ein höfliches, steifes Grinsen abrang, obwohl er dem Mann im Stillen die Pest an den Hals wünschte. Um sie herum herrschte überall lärmende Geschäftigkeit. Es wurde gehämmert, gesägt und gebrüllt.
»Ist Scott in der Nähe?«
»Der ist nie weit weg. Vermutlich in seinem Trailer.«
»Boss?«, fragte ein Mädchen, das plötzlich mit einem Clipboard in der Hand an Kevins Seite auftauchte. »Ich muss dringend wissen, in welcher Farbe Sie die Tür gestrichen haben möchten. Der Typ von der Requisite kann die Pistole nicht finden, und wir haben ein Problem mit Szene 91. Ich glaube nicht, dass es möglich ist, die Kamera dort zu positionieren, wo Sie sie haben wollen, wenn Sie …«
Während sie weiterredete, dankte Kennedy dem lieben Gott aus vollem Herzen dafür, kein Regisseur zu sein.
»Hallo, Kennedy.« Michael Curzon gesellte sich zu ihnen. Obwohl er ziemlich zerknittert aussah, wirkte er so umwerfend attraktiv wie immer. »Wie läuft’s so?«
»Bestens. Das ist Paige.«
»Hallo, Paige.«
»Hallo«, sagte sie ein wenig verschüchtert.
»Entschuldige, Kennedy, aber hast du eine Minute Zeit für mich?«
Bleib weg vom Set. Dort wartet bloß Ärger auf dich.
»Ja klar, Michael«, antwortete Kennedy. Dann fragte er Paige: »Kommst du alleine klar? Es dauert nicht lange. Da hinten ist das Catering. Da gibt’s was zu essen und zu trinken. Alles, was das Herz begehrt.«
»Ich komm zurecht. Sag mal …«, sie griff sich ein Exemplar des Drehbuchs von einem Stuhl, auf dessen Lehne die Worte » SCOTT SPENGLER « prangten, »… geht es in Ordnung, wenn ich da mal reinschaue?«
»Klar doch. Ich bin gleich zurück.«
Paige setzte sich auf den Stuhl und schlug das Skript auf, die gebräunten Beine übereinandergeschlagen, ihr Rock selbst nach ihren Maßstäben sehr kurz.
»Und«, fragte ihn Michael, als sie ein paar Meter weiter weg waren, »ist das deine Tochter?«
Kennedy ignorierte ihn. »Schieß los, Michael. Was liegt an?«
»O Mann«, seufzte er.
Fünfzehn Minuten später, in seinem Trailer, der nicht so nah am Set stand wie der von Julie Teal und noch dazu kleiner war, redete Curzon immer noch. Kennedy setzte unterdessen den Satz »Einen Schauspieler fragen, was anliegt« auf eine Liste, die er in seinem Kopf führte. Auf der Liste standen bereits Sätze wie »Den Abend mit einer Runde Jägermeister beenden«, »Sich überreden lassen, dem Schiedsgericht der Writer’s Guild beizutreten« und »Den nackten Hodensack in einen Fleischwolf hängen lassen«.
Die Liste trug die Überschrift »Dinge, die man niemals tun sollte«.
»Es ist ein absoluter Albtraum. In jeder Szene, Mann, in jeder gottverdammten Szene verlangt sie, dass ich weniger und weniger mache, dass der Dialog geändert und sogar die Anzahl meiner Close-ups reduziert wird. Jeder halbwegs vernünftige Satz, den ich habe, ich meine alles , wirklich alles , will sie ihrer Figur zukommen lassen. Sie ist nicht die Bohne an der Integrität des Drehbuchs interessiert. ES GEHT IHR TOTAL AM ARSCH VORBEI! Das erzähle ich dir nur, weil ich den größten Respekt vor dir und deiner Arbeit habe, Kennedy, und … es tut mir weh, das mit anzusehen, Mann. Ich weiß, dass du mit ihr gevögelt hast und so, das passiert halt. Aber weißt du, es tut mir weh, es tut mir wirklich tierisch weh, was da passiert. Letztens, die Szene im CIA-Büro, als wir dort festgehalten werden und ich diesen Monolog über die Verwicklung meines Vaters in diese Schweinebuchtsache …«
An dieser Stelle wurde Kennedy hellhörig. »Was? Was für ein Schweinebuchtmonolog?«
»Oh, wurde der … ist der neu? Ach ja. Wir dachten, wir könnten eine neue Facette hinzufügen, wenn meine Figur einen Vater hätte, der selbst beim Geheimdienst war, verstehst du? Und es würde ihn von seinen Kindern entfernen, ihn für sie emotional unerreichbar machen … wir haben ein wenig improvisiert, Kevin hat ein paar Dialoge geschrieben. Wusstest du, dass Kevin auch Drehbuchschreiber ist? Egal, worauf ich eigentlich hinauswollte …«
Was zur Hölle? Diese Schauspieler mit ihren »Facetten« und ihren »Hintergrundgeschichten«. Wie viele Kinder hatte Lady Macbeth?
»… wir haben die Szene geprobt und …«
»Michael?«
»… dann plötzlich
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