Straight White Male: Roman (German Edition)
irgendwelche Fragen. Man war ganz auf sich allein gestellt. Um klar zu schreiben, musste man klar denken. Und denken war harte Arbeit. Wenn es diesen Clowns dann trotzdem irgendwie gelang, ein halbes Dutzend Ideen zu produzieren, die sie verfilmen wollten, gingen sie zu irgendeinem Nobody von Drehbuchautor, der die einzelnen Szenen dann – selbstverständlich ohne Namensnennung – miteinander verbinden durfte, und – tata! – fertig war es: das eigene Drehbuch von Todd Arschgesicht, Alter 29 ½. Und es wurde sogar verfilmt, denn der Kerl war ja ein genialer Regisseur, nicht wahr? Und der Film war ein Schlag ins Wasser, denn er basierte auf einer Handvoll stinklangweiliger Schnapsideen, die ein geisteskranker Idiot, der nicht mal in der Lage war, eins und eins zusammenzuzählen, auf einen Bierdeckel gekrakelt hatte. Natürlich bekam der Typ im Leben keinen Job mehr. Und urplötzlich klang das schlichte »Regie: Todd Arschgesicht« wieder ungeheuer reizvoll. Zu dumm, denn niemand würde ihn je wieder engagieren. Wie hieß es doch so schön: Schuster, bleib bei deinen Leisten.
Kennedy sah Kevin inmitten des überschwemmten Sets, umgeben von willfährigen Lakaien – seinem ersten Kameramann, seinem Artdirektor, dem Skriptgirl –, wie er hierhin und dorthin zeigend seine Regisseursnummer abzog. Beschissener Hochstapler. Kennedy ging um irgendeine Kulisse und erblickte Paige im Gespräch mit Scott Spengler. Beide lachten ausgelassen, als er auf sie zukam.
»Kennedy!«, rief Paige.
»He, Maestro«, begrüßte ihn Spengler. Über einem weißen Seidenhemd trug er einen teuren Kaschmirpullover zu einer maßgeschneiderten Jeans. Nicht ein Härchen seiner Frisur lag am falschen Platz. Die Uniform superreicher Männer mittleren Alters. »Ich habe deine Studentin kennengelernt.«
»Das sehe ich. Scott, warum schreibt dieses Arschloch Kevin mein Drehbuch um?«
»Das tut er doch gar nicht.«
»Das widerspricht aber komischerweise dem, was Michael Curzon mir gerade erzählt hat.«
»Hör mal, Kevin hat bloß ein paar der Ideen ausgearbeitet, die den Kids beim Improvisieren gekommen sind, und einige wenige davon auch gedreht. Vermutlich landet das eh alles auf dem Boden des Schneideraums. Wir drehen den Film, den du geschrieben hast. Den großartigen Film, den du geschrieben hast.«
»Siehst du, Paige«, fragte Kennedy und deutete auf den grinsenden Spengler, »dass einer lächeln kann und immer lächeln und doch ein Schurke sein?«
»Scott hat mir gerade erzählt, wie sehr er die Zusammenarbeit mit dir schätzt«, sagte Paige.
»Ehrlich?«
»Du bist mein Mann, Kennedy«, sagte Spengler. »Warum bleibt ihr zwei nicht zum Essen hier?«
»Nein, wir müssen wirklich …«
»Ich bin am Verhungern«, sagte Paige.
»Kommt doch mit zum Lunch in meinen Wohnwagen. Freddy macht heute dieses besonders rohe Roastbeef. Besser geht’s nicht. Ihr Engländer steht doch total auf das Zeug. Kommt schon mit, ich will mehr über diese Knochensammlungs -Sache hören.«
»Knochensammler«, korrigierte Paige.
Sieh mal einer an, dachte Kennedy.
»Na klar, sag ich doch«, erwiderte Spengler, legte eine Hand auf Paiges Rücken und schob sie in Richtung des Sonnenlichts, das durch eine kleine Tür in der Rückwand fiel, die auf einen Parkplatz hinausführte.
Die meisten Menschen dürften den Ausdruck »Lunch in meinem Wohnwagen« wohl mit Plastikbesteck und Papiertellern assoziieren. Wenn Curzons Trailer gegen den von Julie Teal schäbig wirkte, dann ließ der von Spengler alle beide wie diese Blechbüchsen aussehen, aus denen die Leute auf Autobahnparkplätzen Burger verkauften. Eigentlich waren es zwei Trailer: riesige Wohnmobile, die irgendwie aneinandergeschraubt und über einen Durchlass so miteinander verbunden waren, dass ein kolossaler Wohnbereich entstand. Vom Feinsten ausgestattet und möbliert, war das Ding im Prinzip eine Fünfsternehotelsuite auf Rädern. Ein Apartment. Statt Pappteller gab es edles Porzellan, Kristallgläser, massives Silberbesteck und eine strahlend weiße Tischdecke, in deren Mitte ein wunderschönes Lilienarrangement stand – ein Geschenk der Agentur CAA, wie Spengler stolz betonte.
Was haben diese Typen nur immer mit ihren Blumen?, wunderte sich Kennedy. Ständig schicken sie einander bescheuerte Blumen.
Paige saß zwischen ihnen. Spenglers Koch servierte Roastbeef und in Butter glasiertes Babygemüse. Zum Aperitif teilten sie sich eine Flasche Krug, zum Hauptgang gab es einen unglaublich guten
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